Vom 1.2.1877, RGBl. S. 253
BGBl III 312-2
In der Fassung der Bekanntmachung vom 7.4.1987, BGBl I S. 1074, 1319
Zuletzt geändert durch Gesetz zur strafverfahrensrechtlichen
Verankerung
des Täter-Opfer-Ausgleichs und zur Änderung
des Gesetzes über Fernmeldeanlagen
vom 20.12.1999, BGBl I S. 2491
Zweites Buch
Verfahren im ersten Rechtszug
Erster Abschnitt
Öffentliche Klage
§ 151 [Anklagegrundsatz]
Die Eröffnung einer gerichtlichen Untersuchung ist durch die Erhebung
einer Klage bedingt.
§ 152 [Anklagebehörde, Legalitätsprinzip]
(1) 1Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft
berufen.
(2) 1Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet,
wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten,
sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.
§ 152a [Landesgesetzliche Vorschriften über Strafverfolgung
Abgeordneter]
Landesgesetzliche Vorschriften über die Voraussetzungen, unter
denen gegen Mitglieder eines Organs der Gesetzgebung eine
Strafverfolgung eingeleitet oder fortgesetzt werden kann, sind auch
für die anderen Länder der Bundesrepublik Deutschland
und den Bund wirksam.
§ 153 [Absehen von Strafverfolgung bei Vergehen]
(1) 1Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft
mit Zustimmung des für die Eröffnung
des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen,
wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre
und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. 2Der
Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen,
das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht
ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.
(2) 1Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage
des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes
1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das
Verfahren einstellen. 2Der Zustimmung des
Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den
in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden
kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§
232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. 3Die
Entscheidung ergeht durch Beschluß. 4Der Beschluß ist nicht
anfechtbar.
§ 153a [Erfüllung von Auflagen und Weisungen]
(1) 1Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens
zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die
Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung
der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem
Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet
sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu
beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. 2Als Auflagen
oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
1. zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine
bestimmte Leistung zu erbringen,
2. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung
oder der Staatskasse zu zahlen,
3. sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4. Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5. sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten
zu erreichen (Täter-Opfer- Ausgleich) und dabei seine Tat
ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren
Wiedergutmachung zu erstreben, oder
6. an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder §
4 Abs. 8 Satz 4 des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
3Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft
dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des
Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 6 höchstens sechs Monate, in den
Fällen des Satzes 2 Nr. 4 höchstens ein Jahr beträgt. 4Die
Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben
und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten
verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen
und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern.
5Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann
die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. 6Erfüllt der
Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen,
die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. 7§
153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nr. 1 bis 5
entsprechend.
(2) 1Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung
der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das
Verfahren bis zum Ende der Hauptverhandlung, in der die tatsächlichen
Feststellungen letztmals geprüft werden können,
vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz
1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen
erteilen. 2Absatz 1 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. 3Die Entscheidung
nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. 4Der Beschluß ist
nicht anfechtbar. 5Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß
gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden
sind.
(3) 1Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
§ 153b [Absehen von Klage; Einstellung des Verfahrens]
(1) 1Liegen die Voraussetzungen vor, unter denen das Gericht von Strafe
absehen könnte, so kann die Staatsanwaltschaft mit
Zustimmung des Gerichts, das für die Hauptverhandlung zuständig
wäre, von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen.
(2) 1Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht bis zum Beginn
der Hauptverhandlung mit Zustimmung der
Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen.
§ 153c [Absehen von Strafverfolgung bei Auslandstaten]
(1) 1Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung von Straftaten
absehen,
1. die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses
Gesetzes begangen sind oder die ein Teilnehmer an einer außerhalb
des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangenen Handlung
in diesem Bereich begangen hat,
2. die ein Ausländer im Inland auf einem ausländischen Schiff
oder Luftfahrzeug begangen hat,
3. wenn wegen der Tat im Ausland schon eine Strafe gegen den Beschuldigten
vollstreckt worden ist und die im Inland zu
erwartende Strafe nach Anrechnung der ausländischen nicht ins
Gewicht fiele oder der Beschuldigte wegen der Tat im Ausland
rechtskräftig freigesprochen worden ist.
(2) 1Die Staatsanwaltschaft kann auch von der Verfolgung von Straftaten
absehen, die im räumlichen Geltungsbereich dieses
Gesetzes durch eine außerhalb dieses Bereichs ausgeübte
Tätigkeit begangen sind, wenn die Durchführung des Verfahrens
die
Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland
herbeiführen würde oder wenn der Verfolgung sonstige
überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
(3) 1Ist die Klage bereits erhoben, so kann die Staatsanwaltschaft in
den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und des Absatzes 2
die Klage in jeder Lage des Verfahrens zurücknehmen und das Verfahren
einstellen, wenn die Durchführung des Verfahrens die
Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland
herbeiführen würde oder wenn der Verfolgung sonstige
überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
(4) 1Hat das Verfahren Straftaten der in § 74a Abs. 1 Nr. 2 bis
6 und § 120 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des
Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art zum Gegenstand, so stehen
diese Befugnisse dem Generalbundesanwalt zu.
§ 153d [Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland durch
Strafverfolgung]
(1) 1Der Generalbundesanwalt kann von der Verfolgung von Straftaten
der in § 74a Abs. 1 Nr. 2 bis 6 und in § 120 Abs. 1
Nr. 2 bis 7 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art absehen,
wenn die Durchführung des Verfahrens die Gefahr
eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen
würde oder wenn der Verfolgung sonstige
überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
(2) 1Ist die Klage bereits erhoben, so kann der Generalbundesanwalt
unter den in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen die
Klage in jeder Lage des Verfahrens zurücknehmen und das Verfahren
einstellen.
§ 153e [Absehen von Strafverfolgung bei tätiger Reue]
(1) 1Hat das Verfahren Straftaten der in § 74a Absatz 1 Nr. 2
bis 4 und in § 120 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des
Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art zum Gegenstand, so kann
der Generalbundesanwalt mit Zustimmung des nach §
120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Oberlandesgerichts
von der Verfolgung einer solchen Tat absehen, wenn der
Täter nach der Tat, bevor ihm deren Entdeckung bekanntgeworden
ist, dazu beigetragen hat, eine Gefahr für den Bestand oder
die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die verfassungsmäßige
Ordnung abzuwenden. 2Dasselbe gilt, wenn der
Täter einen solchen Beitrag dadurch geleistet hat, daß er
nach der Tat sein mit ihr zusammenhängendes Wissen über
Bestrebungen des Hochverrats, der Gefährdung des demokratischen
Rechtsstaates oder des Landesverrats und der
Gefährdung der äußeren Sicherheit einer Dienststelle
offenbart hat.
(2) 1Ist die Klage bereits erhoben, so kann das nach § 120 des
Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht mit
Zustimmung des Generalbundesanwalts das Verfahren unter den in Absatz
1 bezeichneten Voraussetzungen einstellen.
§ 154 [Unwesentliche Nebenstraftaten]
(1) 1Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung,
zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe
oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten
wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt
worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht
beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2. darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener
Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder
Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten
rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer
anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und
zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) 1Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht
auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder
Lage vorläufig einstellen.
(3) 1Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen
Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der
Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann
es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder
aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder
Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich
wegfällt.
(4) 1Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen
Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und
Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht
inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach
Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen
werden.
(5) 1Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
§ 154a [Strafverfolgungsbeschränkung]
(1) 1Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von
mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat
begangen worden sind,
1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung
und Sicherung oder
2. neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung,
die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat
rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer
anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die
übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen
beschränkt werden. 2§ 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend.
3Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.
(2) 1Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage
des Verfahrens mit Zustimmung der
Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.
(3) 1Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile
einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das
Verfahren wieder einbeziehen. 2Einem Antrag der Staatsanwaltschaft
auf Einbeziehung ist zu entsprechen. 3Werden
ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265
Abs. 4 entsprechend anzuwenden.
§ 154b [Absehen von Klage bei Auslieferung oder Ausweisung]
(1) 1Von der Erhebung der öffentlichen Klage kann abgesehen werden,
wenn der Beschuldigte wegen der Tat einer
ausländischen Regierung ausgeliefert wird.
(2) 1Dasselbe gilt, wenn er wegen einer anderen Tat einer ausländischen
Regierung ausgeliefert wird und die Strafe oder die
Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die inländische
Verfolgung führen kann, neben der Strafe oder der Maßregel
der Besserung und Sicherung, die gegen ihn im Ausland rechtskräftig
verhängt worden ist oder die er im Ausland zu erwarten
hat, nicht ins Gewicht fällt.
(3) 1Von der Erhebung der öffentlichen Klage kann auch abgesehen
werden, wenn der Beschuldigte aus dem Geltungsbereich
dieses Bundesgesetzes ausgewiesen wird.
(4) 1Ist in den Fällen der Absätze 1 bis 3 die öffentliche
Klage bereits erhoben, so stellt das Gericht auf Antrag der
Staatsanwaltschaft das Verfahren vorläufig ein. 2§ 154 Abs.
3 bis 5 gilt mit der Maßgabe entsprechend, daß die Frist in
Absatz
4 ein Jahr beträgt.
§ 154c [Nichtverfolgung des Erpreßten oder Genötigten]
1Ist eine Nötigung oder Erpressung (§§ 240, 253 des
Strafgesetzbuches) durch die Drohung begangen worden, eine Straftat zu
offenbaren, so kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Tat,
deren Offenbarung angedroht worden ist, absehen,
wenn nicht wegen der Schwere der Tat eine Sühne unerläßlich
ist.
§ 154d [Vorentscheidung einer zivil- oder verwaltungsrechtlichen
Frage]
1Hängt die Erhebung der öffentlichen Klage wegen eines Vergehens
von der Beurteilung einer Frage ab, die nach bürgerlichem
Recht oder nach Verwaltungsrecht zu beurteilen ist, so kann die Staatsanwaltschaft
zur Austragung der Frage im bürgerlichen
Streitverfahren oder im Verwaltungsstreitverfahren eine Frist bestimmen.
2Hiervon ist der Anzeigende zu benachrichtigen.
Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren
einstellen.
§ 154e [Absehen von Klage bei falscher Verdächtigung oder
Beleidigung]
(1) 1Von der Erhebung der öffentlichen Klage wegen einer falschen
Verdächtigung oder Beleidigung (§§ 164, 185 bis 188 des
Strafgesetzbuches) soll abgesehen werden, solange wegen der angezeigten
oder behaupteten Handlung ein Straf- oder
Disziplinarverfahren anhängig ist.
(2) 1Ist die öffentliche Klage oder eine Privatklage bereits erhoben,
so stellt das Gericht das Verfahren bis zum Abschluß des
Straf- oder Disziplinarverfahrens wegen der angezeigten oder behaupteten
Handlung ein.
(3) 1Bis zum Abschluß des Straf- oder Disziplinarverfahrens wegen
der angezeigten oder behaupteten Handlung ruht die
Verjährung der Verfolgung der falschen Verdächtigung oder
Beleidigung.
§ 155 [Untersuchungs- und Entscheidungsumfang]
(1) 1Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt sich nur auf die in
der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage
beschuldigten Personen.
(2) 1Innerhalb dieser Grenzen sind die Gerichte zu einer selbständigen
Tätigkeit berechtigt und verpflichtet; insbesondere sind
sie bei Anwendung des Strafgesetzes an die gestellten Anträge
nicht gebunden.
§ 155a [Täter-Opfer-Ausgleich]
Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sollen in jedem Stadium des
Verfahrens die Möglichkeiten prüfen, einen Ausgleich
zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen. 2In geeigneten
Fällen sollen sie darauf hinwirken. Gegen den
ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung nicht angenommen
werden.
§ 155b [Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs]
(1) 1Die Staatsanwaltschaft und das Gericht können zum Zweck des
Täter-Opfer-Ausgleichs oder der
Schadenswiedergutmachung einer von ihnen mit der Durchführung
beauftragten Stelle von Amts wegen oder auf deren Antrag
die hierfür erforderlichen personenbezogenen Informationen übermitteln.
2Die Akten können der beauftragten Stelle zur
Einsichtnahme auch übersandt werden, soweit die Erteilung von
Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern
würde. 3Eine nichtöffentliche Stelle ist darauf hinzuweisen,
dass sie die übermittelten Informationen nur für Zwecke des
Täter-Opfer-Ausgleichs oder der Schadenswiedergutmachung verwenden
darf.
(2) 1Die beauftragte Stelle darf die nach Absatz 1 übermittelten
personenbezogenen Informationen nur verarbeiten und nutzen,
soweit dies für die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs
oder der Schadenswiedergutmachung erforderlich ist und
schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht entgegenstehen.
2Sie darf personenbezogene Informationen nur erheben sowie
die erhobenen Informationen verarbeiten und nutzen, soweit der Betroffene
eingewilligt hat und dies für die Durchführung des
Täter-Opfer-Ausgleichs oder der Schadenswiedergutmachung erforderlich
ist. 3Nach Abschluss ihrer Tätigkeit berichtet sie in
dem erforderlichen Umfang der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht.
(3) 1Ist die beauftragte Stelle eine nichtöffentliche Stelle, finden
die Vorschriften des Dritten Abschnitts des
Bundesdatenschutzgesetzes auch Anwendung, wenn die Informationen nicht
in oder aus Dateien verarbeitet werden.
(4) 1Die Unterlagen mit den in Absatz 2 Satz 1 und 2 bezeichneten personenbezogenen
Informationen sind von der
beauftragten Stelle nach Ablauf eines Jahres seit Abschluss des Strafverfahrens
zu vernichten. 2Die Staatsanwaltschaft oder das
Gericht teilt der beauftragten Stelle unverzüglich von Amts wegen
den Zeitpunkt des Verfahrensabschlusses mit.
§ 156 [Keine Klagerücknahme]
Die öffentliche Klage kann nach Eröffnung des Hauptverfahrens
nicht zurückgenommen werden.
§ 157 [Angeschuldigter und Angeklagter]
Im Sinne dieses Gesetzes ist Angeschuldigter der Beschuldigte, gegen
den die öffentliche Klage erhoben ist, Angeklagter der
Beschuldigte oder Angeschuldigte, gegen den die Eröffnung des
Hauptverfahrens beschlossen ist.
Zweiter Abschnitt
Vorbereitung der öffentlichen Klage
§ 158 [Strafanzeige; Strafantrag]
(1) 1Die Anzeige einer Straftat und der Strafantrag können bei
der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten des
Polizeidienstes und den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich
angebracht werden. 2Die mündliche Anzeige ist zu beurkunden.
(2) 1Bei Straftaten, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, muß
der Antrag bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft
schriftlich oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich
angebracht werden.
§ 159 [Leichenfund]
(1) 1Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß jemand eines
nicht natürlichen Todes gestorben ist, oder wird der Leichnam
eines Unbekannten gefunden, so sind die Polizei- und Gemeindebehörden
zur sofortigen Anzeige an die Staatsanwaltschaft
oder an das Amtsgericht verpflichtet.
(2) 1Zur Bestattung ist die schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft erforderlich.
§ 160 [Pflichten der Staatsanwaltschaft]
(1) 1Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem
Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis
erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob
die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.
(2) 1Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern
auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln
und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust
zu besorgen ist.
(3) 1Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen sich auch auf die
Umstände erstrecken, die für die Bestimmung der
Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. 2Dazu kann sie sich der Gerichtshilfe
bedienen.
§ 161 [Ermittlungsbefugnisse der Staatsanwaltschaft]
Zu dem im vorstehenden Paragraphen bezeichneten Zweck kann die Staatsanwaltschaft
von allen öffentlichen Behörden
Auskunft verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vornehmen
oder durch die Behörden und Beamten des
Polizeidienstes vornehmen lassen. 2Die Behörden und Beamten des
Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder
Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen.
§ 161a [Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen]
(1) 1Zeugen und Sachverständige sind verpflichtet, auf Ladung
vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache
auszusagen oder ihr Gutachten zu erstatten. 2Soweit nichts anderes
bestimmt ist, gelten die Vorschriften des sechsten und
siebenten Abschnitts des ersten Buches über Zeugen und Sachverständige
entsprechend. 3Die eidliche Vernehmung bleibt dem
Richter vorbehalten.
(2) 1Bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung eines
Zeugen oder Sachverständigen steht die Befugnis zu
den in den §§ 51, 70 und 77 vorgesehenen Maßregeln
der Staatsanwaltschaft zu. 2Jedoch bleibt die Festsetzung der Haft dem
Richter vorbehalten; zuständig ist das Amtsgericht, in dessen
Bezirk die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat, welche die
Festsetzung beantragt.
(3) 1Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach Absatz 2 Satz
1 kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden.
2Über den Antrag entscheidet, soweit nicht in § 120 Abs.
3 Satz 1 und § 135 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes etwas
anderes bestimmt ist, das Landgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft
ihren Sitz hat. 3Die §§ 297 bis 300, 302, 306
bis 309, 311a sowie die Vorschriften über die Auferlegung der
Kosten des Beschwerdeverfahrens gelten entsprechend. 4Die
Entscheidung des Gerichts ist nicht anfechtbar.
(4) 1Ersucht eine Staatsanwaltschaft eine andere Staatsanwaltschaft
um die Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen,
so stehen die Befugnisse nach Absatz 2 Satz 1 auch der ersuchten Staatsanwaltschaft
zu.
§ 162 [Richterliche Untersuchungshandlungen]
(1) 1Erachtet die Staatsanwaltschaft die Vornahme einer richterlichen
Untersuchungshandlung für erforderlich, so stellt sie ihre
Anträge bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk diese Handlung vorzunehmen
ist. 2Hält sie richterliche Anordnungen für die
Vornahme von Untersuchungshandlungen in mehr als einem Bezirk für
erforderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem
Amtsgericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat. 3Satz 2 gilt nicht
für richterliche Vernehmungen sowie dann, wenn die
Staatsanwaltschaft den Untersuchungserfolg durch eine Verzögerung
für gefährdet erachtet, die durch einen Antrag bei dem
nach Satz 2 zuständigen Amtsgericht eintreten würde.
(2) 1Die Zuständigkeit des Amtsgerichts wird durch eine nach der
Antragstellung eintretende Veränderung der sie
begründenden Umstände nicht berührt.
(3) 1Der Richter hat zu prüfen, ob die beantragte Handlung nach den Umständen des Falles gesetzlich zulässig ist.
§ 163 [Aufgaben der Polizei]
(1) 1Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten
zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden
Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten.
(2) 1Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes übersenden
ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft.
Erscheint die schleunige Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen
erforderlich, so kann die Übersendung unmittelbar
an das Amtsgericht erfolgen.
§ 163a [Vernehmung des Beschuldigten]
(1) 1Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der
Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur
Einstellung führt. 2In einfachen Sachen genügt es, daß
ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern.
(2) 1Beantragt der Beschuldigte zu seiner Entlastung die Aufnahme von
Beweisen, so sind sie zu erheben, wenn sie von
Bedeutung sind.
(3) 1Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft
zu erscheinen. 2Die §§ 133 bis 136a und 168c
Abs. 1 und 5 gelten entsprechend. 3Über die Rechtmäßigkeit
der Vorführung entscheidet auf Antrag des Beschuldigten das
Gericht; § 161a Abs. 3 Satz 2 bis 4 ist anzuwenden.
(4) 1Bei der ersten Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes
ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche
Tat ihm zur Last gelegt wird. 2Im übrigen sind bei der Vernehmung
des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes § 136
Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2, 3 und § 136a anzuwenden.
(5) 1Bei der Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen durch
Beamte des Polizeidienstes sind § 52 Abs. 3, § 55 Abs.
2 und § 81c Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 3 und
§ 136a entsprechend anzuwenden.
§ 163b [Maßnahmen zur Identitätsfeststellung]
(1) 1Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die
Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes die zur
Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen treffen;
§ 163a Abs. 4 Satz 1 gilt entsprechend. 2Der Verdächtige darf
festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter
erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. 3Unter
den Voraussetzungen von Satz 2 sind auch die Durchsuchung der Person
des Verdächtigen und der von ihm mitgeführten
Sachen sowie die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen
zulässig.
(2) 1Wenn und soweit dies zur Aufklärung einer Straftat geboten
ist, kann auch die Identität einer Person festgestellt werden,
die einer Straftat nicht verdächtig ist; § 69 Abs. 1 Satz
2 gilt entsprechend. 2Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten
Art dürfen nicht getroffen werden, wenn sie zur Bedeutung der
Sache außer Verhältnis stehen; Maßnahmen der in Absatz
1
Satz 3 bezeichneten Art dürfen nicht gegen den Willen der betroffenen
Person getroffen werden.
§ 163c [Freiheitsentziehung zur Identitätsfeststellung]
(1) 1Eine von einer Maßnahme nach § 163b betroffene Person
darf in keinem Fall länger als zur Feststellung ihrer Identität
unerläßlich festgehalten werden. 2Die festgehaltene Person
ist unverzüglich dem Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk
sie ergriffen worden ist, zum Zwecke der Entscheidung über Zulässigkeit
und Fortdauer der Freiheitsentziehung vorzuführen, es
sei denn, daß die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung
voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen würde, als zur
Feststellung der Identität notwendig wäre.
(2) 1Die festgehaltene Person hat ein Recht darauf, daß ein Angehöriger
oder eine Person ihres Vertrauens unverzüglich
benachrichtigt wird. 2Ihr ist Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen
oder eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen, es
sei denn, daß sie einer Straftat verdächtig ist und der
Zweck der Untersuchung durch die Benachrichtigung gefährdet würde.
(3) 1Eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Feststellung der Identität
darf die Dauer von insgesamt zwölf Stunden nicht
überschreiten.
(4) 1Ist die Identität festgestellt, so sind in den Fällen
des § 163b Abs. 2 die im Zusammenhang mit der Feststellung
angefallenen Unterlagen zu vernichten.
§ 163d [Speicherung von Daten]
(1) 1Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß
1. eine der in § 111 bezeichneten Straftaten oder
2. eine der in § 100a Satz 1 Nr. 3 und 4 bezeichneten Straftaten
begangen worden ist, so dürfen die anläßlich einer
grenzpolizeilichen Kontrolle, im Falle der Nummer 1 auch die bei einer
Personenkontrolle nach § 111 anfallenden Daten über die Identität
von Personen sowie Umstände, die für die Aufklärung der
Straftat oder für die Ergreifung des Täters von Bedeutung
sein können, in einer Datei gespeichert werden, wenn Tatsachen die
Annahme rechtfertigen, daß die Auswertung der Daten zur Ergreifung
des Täters oder zur Aufklärung der Straftat führen kann
und die Maßnahme nicht außer Verhältnis zur Bedeutung
der Sache steht. 2Dies gilt auch, wenn im Falle des Satzes 1 Pässe
und Personalausweise automatisch gelesen werden. 3Die Übermittlung
der Daten ist nur an Strafverfolgungsbehörden zulässig.
(2) 1Maßnahmen der in Absatz 1 bezeichneten Art dürfen nur
durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die
Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes)
angeordnet werden. 2Hat die
Staatsanwaltschaft oder einer ihrer Hilfsbeamten die Anordnung getroffen,
so beantragt die Staatsanwaltschaft unverzüglich die
richterliche Bestätigung der Anordnung. 3Die Anordnung tritt außer
Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen von dem Richter
bestätigt wird.
(3) 1Die Anordnung ergeht schriftlich. 2Sie muß die Personen,
deren Daten gespeichert werden sollen, nach bestimmten
Merkmalen oder Eigenschaften so genau bezeichnen, wie dies nach der
zur Zeit der Anordnung vorhandenen Kenntnis von
dem oder den Tatverdächtigen möglich ist. 3Art und Dauer
der Maßnahmen sind festzulegen. 4Die Anordnung ist räumlich
zu
begrenzen und auf höchstens drei Monate zu befristen. 5Eine einmalige
Verlängerung um nicht mehr als drei weitere Monate ist
zulässig, soweit die in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen
fortbestehen.
(4) 1Liegen die Voraussetzungen für den Erlaß der Anordnung
nicht mehr vor oder ist der Zweck der sich aus der Anordnung
ergebenden Maßnahmen erreicht, so sind diese unverzüglich
zu beenden. 2Die durch die Maßnahmen erlangten
personenbezogenen Daten sind unverzüglich zu löschen, sobald
sie für das Strafverfahren nicht oder nicht mehr benötigt
werden; eine Speicherung, die die Laufzeit der Maßnahmen (Absatz
3) um mehr als drei Monate überschreitet, ist unzulässig.
3Über die Löschung ist die Staatsanwaltschaft zu unterrichten.
4Die gespeicherten personenbezogenen Daten dürfen nur für das
Strafverfahren genutzt werden. 5Ihre Verwendung zu anderen Zwecken
ist nur zulässig, soweit sich bei Gelegenheit der
Auswertung durch die speichernde Stelle Erkenntnisse ergeben, die zur
Aufklärung einer anderen Straftat oder zur Ermittlung
einer Person benötigt werden, die zur Fahndung oder Aufenthaltsfeststellung
aus Gründen der Strafverfolgung oder
Strafvollstreckung ausgeschrieben ist.
(5) 1Von den in Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen sind die Personen,
gegen die nach Auswertung der Daten weitere
Ermittlungen geführt worden sind, zu benachrichtigen, es sei denn,
daß eine Gefährdung des Untersuchungszwecks oder der
öffentlichen Sicherheit zu besorgen ist.
§ 163e [Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung]
(1) 1Die Ausschreibung zur Beobachtung anläßlich von polizeilichen
Kontrollen, die die Feststellung der Personalien zulassen,
kann angeordnet werden, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte
dafür vorliegen, daß eine Straftat von erheblicher
Bedeutung begangen wurde. 2Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten
richten und nur dann getroffen werden,
wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes
des Täters auf andere Weise erheblich weniger
erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. 3Gegen andere
Personen ist die Maßnahme zulässig, wenn auf Grund
bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß sie mit dem Täter
in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt
wird, daß die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts
oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters führen wird
und
dies auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich
erschwert wäre.
(2) 1Das Kennzeichen eines Kraftfahrzeugs kann ausgeschrieben werden,
wenn das Fahrzeug für eine nach Absatz 1
ausgeschriebene Person zugelassen ist oder von ihr oder einer bisher
namentlich nicht bekannten Person benutzt wird, die einer
Straftat mit erheblicher Bedeutung verdächtig ist.
(3) 1Im Falle eines Antreffens können auch personenbezogene Informationen
eines Begleiters der ausgeschriebenen Person
oder des Führers eines ausgeschriebenen Kraftfahrzeugs gemeldet
werden.
(4) 1Die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung darf nur durch
den Richter angeordnet werden. 2Bei Gefahr im Verzug
kann die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft getroffen werden.
3Hat die Staatsanwaltschaft die Anordnung getroffen,
so beantragt sie unverzüglich die richterliche Bestätigung
der Anordnung. 4Die Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht
binnen drei Tagen von dem Richter bestätigt wird. 5Die Anordnung
ist auf höchstens ein Jahr zu befristen. 6§ 100b Abs. 2 Satz
5 gilt entsprechend.
§ 164 [Festnahme von Störern]
1Bei Amtshandlungen an Ort und Stelle ist der Beamte, der sie leitet,
befugt, Personen, die seine amtliche Tätigkeit vorsätzlich
stören oder sich den von ihm innerhalb seiner Zuständigkeit
getroffenen Anordnungen widersetzen, festnehmen und bis zur
Beendigung seiner Amtsverrichtungen, jedoch nicht über den nächstfolgenden
Tag hinaus, festhalten zu lassen.
§ 165 [Richterliche Untersuchungshandlungen bei Gefahr im Verzug]
Bei Gefahr im Verzug kann der Richter die erforderlichen Untersuchungshandlungen
auch ohne Antrag vornehmen, wenn ein
Staatsanwalt nicht erreichbar ist.
§ 166 [Beweiserhebung zur Entlastung]
(1) 1Wird der Beschuldigte von dem Richter vernommen und beantragt
er bei dieser Vernehmung zu seiner Entlastung einzelne
Beweiserhebungen, so hat der Richter diese, soweit er sie für
erheblich erachtet, vorzunehmen, wenn der Verlust der Beweise
zu besorgen ist oder die Beweiserhebung die Freilassung des Beschuldigten
begründen kann.
(2) 1Der Richter kann, wenn die Beweiserhebung in einem anderen Amtsbezirk
vorzunehmen ist, den Richter des letzteren um
ihre Vornahme ersuchen.
§ 167 [Weitere Verfügung der Staatsanwaltschaft]
In den Fällen der §§ 165 und 166 gebührt der Staatsanwaltschaft
die weitere Verfügung.
§ 168 [Protokoll der richterlichen Untersuchungshandlung]
Über jede richterliche Untersuchungshandlung ist ein Protokoll
aufzunehmen. 2Für die Protokollführung ist ein
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle zuzuziehen; hiervon kann der
Richter absehen, wenn er die Zuziehung eines
Protokollführers nicht für erforderlich hält. 3In dringenden
Fällen kann der Richter eine von ihm zu vereidigende Person als
Protokollführer zuziehen.
§ 168a [Form der Protokollierung]
(1) 1Das Protokoll muß Ort und Tag der Verhandlung sowie die
Namen der mitwirkenden und beteiligten Personen angeben
und ersehen lassen, ob die wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens
beobachtet sind. 2§ 68 Abs. 2, 3 bleibt unberührt.
(2) 1Der Inhalt des Protokolls kann in einer gebräuchlichen Kurzschrift,
mit einer Kurzschriftmaschine, mit einem
Tonaufnahmegerät oder durch verständliche Abkürzungen
vorläufig aufgezeichnet werden. 2Das Protokoll ist in diesem Fall
unverzüglich nach Beendigung der Verhandlung herzustellen. 3Die
vorläufigen Aufzeichnungen sind zu den Akten zu nehmen
oder, wenn sie sich nicht dazu eignen, bei der Geschäftsstelle
mit den Akten aufzubewahren. 4Tonaufzeichnungen können
gelöscht werden, wenn das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen
oder sonst beendet ist.
(3) 1Das Protokoll ist den bei der Verhandlung beteiligten Personen,
soweit es sie betrifft, zur Genehmigung vorzulesen oder
zur Durchsicht vorzulegen. 2Die Genehmigung ist zu vermerken. 3Das
Protokoll ist von den Beteiligten zu unterschreiben oder
es ist darin anzugeben, weshalb die Unterschrift unterblieben ist.
4Ist der Inhalt des Protokolls nur vorläufig aufgezeichnet
worden, so genügt es, wenn die Aufzeichnungen vorgelesen oder
abgespielt werden. 5In dem Protokoll ist zu vermerken, daß
dies geschehen und die Genehmigung erteilt ist oder welche Einwendungen
erhoben worden sind. 6Das Vorlesen oder die
Vorlage zur Durchsicht oder das Abspielen kann unterbleiben, wenn die
beteiligten Personen, soweit es sie betrifft, nach der
Aufzeichnung darauf verzichten; in dem Protokoll ist zu vermerken,
daß der Verzicht ausgesprochen worden ist.
(4) 1Das Protokoll ist von dem Richter sowie dem Protokollführer
zu unterschreiben. 2Ist der Inhalt des Protokolls ohne
Zuziehung eines Protokollführers ganz oder teilweise mit einem
Tonaufnahmegerät vorläufig aufgezeichnet worden, so
unterschreiben der Richter und derjenige, der das Protokoll hergestellt
hat. 3Letzterer versieht seine Unterschrift mit dem
Zusatz, daß er die Richtigkeit der Übertragung bestätigt.
4Der Nachweis der Unrichtigkeit der Übertragung ist zulässig.
§ 168b [Protokoll der staatsanwaltlichen Untersuchungshandlung]
(1) 1Das Ergebnis staatsanwaltschaftlicher Untersuchungshandlungen
ist aktenkundig zu machen.
(2) 1Über die Vernehmung des Beschuldigten, der Zeugen und Sachverständigen
soll ein Protokoll nach den §§ 168 und 168a
aufgenommen werden, soweit dies ohne erhebliche Verzögerung der
Ermittlungen geschehen kann.
§ 168c [Anwesenheit bei richterlicher Vernehmung]
(1) 1Bei der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten ist der Staatsanwaltschaft
und dem Verteidiger die Anwesenheit
gestattet.
(2) 1Bei der richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen
ist der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und
dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet.
(3) 1Der Richter kann einen Beschuldigten von der Anwesenheit bei der
Verhandlung ausschließen, wenn dessen Anwesenheit
den Untersuchungszweck gefährden würde. 2Dies gilt namentlich
dann, wenn zu befürchten ist, daß ein Zeuge in Gegenwart
des Beschuldigten nicht die Wahrheit sagen werde.
(4) 1Hat ein nicht in Freiheit befindlicher Beschuldigter einen Verteidiger,
so steht ihm ein Anspruch auf Anwesenheit nur bei
solchen Terminen zu, die an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten
werden, wo er in Haft ist.
(5) 1Von den Terminen sind die zur Anwesenheit Berechtigten vorher zu
benachrichtigen. 2Die Benachrichtigung unterbleibt,
wenn sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. 3Auf die
Verlegung eines Termins wegen Verhinderung haben die zur
Anwesenheit Berechtigten keinen Anspruch.
§ 168d [Teilnahme an Augenscheinseinnahme]
(1) 1Bei der Einnahme eines richterlichen Augenscheins ist der Staatsanwaltschaft,
dem Beschuldigten und dem Verteidiger die
Anwesenheit bei der Verhandlung gestattet. 2§ 168c Abs. 3 Satz
1, Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.
(2) 1Werden bei der Einnahme eines richterlichen Augenscheins Sachverständige
zugezogen, so kann der Beschuldigte
beantragen, daß die von ihm für die Hauptverhandlung vorzuschlagenden
Sachverständigen zu dem Termin geladen werden,
und, wenn der Richter den Antrag ablehnt, sie selbst laden lassen.
2Den vom Beschuldigten benannten Sachverständigen ist die
Teilnahme am Augenschein und an den erforderlichen Untersuchungen insoweit
gestattet, als dadurch die Tätigkeit der vom
Richter bestellten Sachverständigen nicht behindert wird.
§ 168e [Getrennte Vernehmung von Zeugen]
Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für
das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der
Anwesenheitsberechtigten vernommen wird, und kann sie nicht in anderer
Weise abgewendet werden, so soll der Richter die
Vernehmung von den Anwesenheitsberechtigten getrennt durchführen.
2Die Vernehmung wird diesen zeitgleich in Bild und Ton
übertragen. 3Die Mitwirkungsbefugnisse der Anwesenheitsberechtigten
bleiben im übrigen unberührt. 4Die §§ 58a und 241a
finden entsprechende Anwendung. 5Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.
§ 169 [Ermittlungsrichter des OLG und des BGH]
(1) 1In Sachen, die nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes
zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug
gehören, können die im vorbereitenden Verfahren dem Richter
beim Amtsgericht obliegenden Geschäfte auch durch
Ermittlungsrichter dieses Oberlandesgerichts wahrgenommen werden. 2Führt
der Generalbundesanwalt die Ermittlungen, so
sind an deren Stelle Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes zuständig.
(2) 1Der für eine Sache zuständige Ermittlungsrichter des
Oberlandesgerichts kann Untersuchungshandlungen auch dann
anordnen, wenn sie nicht im Bezirk dieses Gerichts vorzunehmen sind.
§ 169a [Vermerk über Ermittlungsabschluß]
Erwägt die Staatsanwaltschaft, die öffentliche Klage zu erheben,
so vermerkt sie den Abschluß der Ermittlungen in den Akten.
§ 170 [Klageerhebung; Einstellung des Verfahrens]
(1) 1Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung
der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch
Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) 1Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. 2Hiervon
setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als
solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen
war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten
hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich
ist.
§ 171 [Bescheidung]
1Gibt die Staatsanwaltschaft einem Antrag auf Erhebung der öffentlichen
Klage keine Folge oder verfügt sie nach dem
Abschluß der Ermittlungen die Einstellung des Verfahrens, so
hat sie den Antragsteller unter Angabe der Gründe zu bescheiden.
2In dem Bescheid ist der Antragsteller, der zugleich der Verletzte
ist, über die Möglichkeit der Anfechtung und die dafür
vorgesehene Frist (§ 172 Abs. 1) zu belehren.
§ 172 [Klageerzwingungsverfahren]
(1) 1Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen
den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der
Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft
zu. 2Durch die Einlegung der
Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft wird die Frist gewahrt. 3Sie
läuft nicht, wenn die Belehrung nach § 171 Satz 2
unterblieben ist.
(2) 1Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft
kann der Antragsteller binnen einem
Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen.
2Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist er
zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Belehrung unterblieben
ist. 3Der Antrag ist nicht zulässig, wenn das Verfahren
ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat, die vom Verletzten
im Wege der Privatklage verfolgt werden kann, oder wenn
die Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1, § 153a Abs. 1 Satz
1, 7 oder § 153b Abs. 1 von der Verfolgung der Tat abgesehen
hat; dasselbe gilt in den Fällen der §§ 153c bis 154
Abs. 1 sowie der §§ 154b und 154c.
(3) 1Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß die Tatsachen,
welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen
sollen, und die Beweismittel angeben. 2Er muß von einem Rechtsanwalt
unterzeichnet sein; für die Prozeßkostenhilfe gelten
dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.
3Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen
Gericht einzureichen.
(4) 1Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht
zuständig. 2§ 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist
sinngemäß anzuwenden.
§ 173 [Verfahren des Gerichts]
(1) 1Auf Verlangen des Gerichts hat ihm die Staatsanwaltschaft die
bisher von ihr geführten Verhandlungen vorzulegen.
(2) 1Das Gericht kann den Antrag unter Bestimmung einer Frist dem Beschuldigten zur Erklärung mitteilen.
(3) 1Das Gericht kann zur Vorbereitung seiner Entscheidung Ermittlungen
anordnen und mit ihrer Vornahme einen beauftragten
oder ersuchten Richter betrauen.
§ 174 [Verwerfung des Antrags]
(1) 1Ergibt sich kein genügender Anlaß zur Erhebung der
öffentlichen Klage, so verwirft das Gericht den Antrag und setzt den
Antragsteller, die Staatsanwaltschaft und den Beschuldigten von der
Verwerfung in Kenntnis.
(2) 1Ist der Antrag verworfen, so kann die öffentliche Klage nur
auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel erhoben
werden.
§ 175 [Klageerhebungsbeschluß]
Erachtet das Gericht nach Anhörung des Beschuldigten den Antrag
für begründet, so beschließt es die Erhebung der
öffentlichen Klage. 2Die Durchführung dieses Beschlusses
liegt der Staatsanwaltschaft ob.
§ 176 [Sicherheitsleistung]
(1) 1Durch Beschluß des Gerichts kann dem Antragsteller vor der
Entscheidung über den Antrag die Leistung einer Sicherheit
für die Kosten auferlegt werden, die durch das Verfahren über
den Antrag voraussichtlich der Staatskasse und dem
Beschuldigten erwachsen. 2Die Sicherheitsleistung ist durch Hinterlegung
in barem Geld oder in Wertpapieren zu bewirken.
Die Höhe der zu leistenden Sicherheit wird vom Gericht nach freiem
Ermessen festgesetzt. 4Es hat zugleich eine Frist zu
bestimmen, binnen welcher die Sicherheit zu leisten ist.
(2) Wird die Sicherheit in der bestimmten Frist nicht geleistet, so hat das Gericht den Antrag für zurückgenommen zu erklären.
§ 177 [Kosten]
Die durch das Verfahren über den Antrag veranlaßten Kosten
sind in den Fällen der §§ 174 und 176 Abs. 2 dem
Antragsteller aufzuerlegen.
Dritter Abschnitt
§§ 178 bis 197 (weggefallen)
Vierter Abschnitt
Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens
§ 198 (weggefallen)
§ 199 [Entscheidung über Eröffnung des Hauptverfahrens]
(1) 1Das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht entscheidet
darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder das
Verfahren vorläufig einzustellen ist.
(2) 1Die Anklageschrift enthält den Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen. 2Mit ihr werden die Akten dem Gericht vorgelegt.
§ 200 [Inhalt der Anklageschrift]
(1) 1Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur
Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die
gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften
zu bezeichnen (Anklagesatz). 2In ihr sind ferner
die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden
soll, und der Verteidiger anzugeben. 3Bei der
Benennung von Zeugen genügt in den Fällen des § 68 Abs.
1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 die Angabe der ladungsfähigen Anschrift.
4Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise
nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die
Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies
entsprechend.
(2) 1In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen
dargestellt. 2Davon kann abgesehen werden,
wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.
§ 201 [Mitteilung der Anklageschrift]
(1) 1Der Vorsitzende des Gerichts teilt die Anklageschrift dem Angeschuldigten
mit und fordert ihn zugleich auf, innerhalb einer
zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner
Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung
des Hauptverfahrens beantragen oder Einwendungen gegen die Eröffnung
des Hauptverfahrens vorbringen wolle.
(2) 1Über Anträge und Einwendungen beschließt das Gericht. 2Die Entscheidung ist unanfechtbar.
§ 202 [Beweiserhebung vor Eröffnungsentscheidung]
Bevor das Gericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens
entscheidet, kann es zur besseren Aufklärung der Sache einzelne
Beweiserhebungen anordnen. 2Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
§ 203 [Eröffnungsbeschluß]
Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens,
wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der
Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.
§ 204 [Ablehnung der Eröffnung]
(1) 1Beschließt das Gericht, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen,
so muß aus dem Beschluß hervorgehen, ob er auf
tatsächlichen oder auf Rechtsgründen beruht.
(2) 1Der Beschluß ist dem Angeschuldigten bekanntzumachen.
§ 205 [Vorläufige Einstellung]
Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit
des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes
Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren durch Beschluß
vorläufig einstellen. 2Der Vorsitzende sichert, soweit
nötig, die Beweise.
§ 206 [Keine Bindung an Anträge]
Das Gericht ist bei der Beschlußfassung an die Anträge der
Staatsanwaltschaft nicht gebunden.
§ 206a [Einstellung bei Verfahrenshindernis]
(1) 1Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis
heraus, so kann das Gericht außerhalb der
Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.
(2) 1Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.
§ 206b [Einstellung nach Gesetzesänderung]
Wird ein Strafgesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung
geändert und hat ein gerichtlich anhängiges
Strafverfahren eine Tat zum Gegenstand, die nach dem bisherigen Recht
strafbar war, nach dem neuen Recht aber nicht mehr
strafbar ist, so stellt das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung
das Verfahren durch Beschluß ein. 2Der Beschluß ist mit
sofortiger Beschwerde anfechtbar.
§ 207 [Inhalt des Eröffnungsbeschlusses]
(1) 1In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet
wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und
bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll.
(2) 1Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen Änderungen
es die Anklage zur Hauptverhandlung zuläßt, wenn
1. wegen mehrerer Taten Anklage erhoben ist und wegen einzelner von
ihnen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt
wird,
2. die Verfolgung nach § 154a auf einzelne abtrennbare Teile einer
Tat beschränkt wird oder solche Teile in das Verfahren
wieder einbezogen werden,
3. die Tat rechtlich abweichend von der Anklageschrift gewürdigt
wird oder
4. die Verfolgung nach § 154a auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen,
die durch dieselbe Straftat begangen worden
sind, beschränkt wird oder solche Gesetzesverletzungen in das
Verfahren wieder einbezogen werden.
(3) 1In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 und 2 reicht die Staatsanwaltschaft
eine dem Beschluß entsprechende neue
Anklageschrift ein. 2Von der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses
der Ermittlungen kann abgesehen werden.
(4) 1Das Gericht beschließt zugleich von Amts wegen über
die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der
einstweiligen Unterbringung.
§ 208 (weggefallen)
§ 209 [Eröffnungszuständigkeit]
(1) 1Hält das Gericht, bei dem die Anklage eingereicht ist, die
Zuständigkeit eines Gerichts niedrigerer Ordnung in seinem
Bezirk für begründet, so eröffnet es das Hauptverfahren
vor diesem Gericht.
(2) 1Hält das Gericht, bei dem die Anklage eingereicht ist, die
Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung, zu dessen Bezirk
es gehört, für begründet, so legt es die Akten durch
Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem zur Entscheidung vor.
§ 209a [Rang der besonderen Strafkammern und Jugendgerichte]
Im Sinne des § 4 Abs. 2, des § 209 sowie des § 210 Abs.
2 stehen
1. die besonderen Strafkammern nach § 74 Absatz 2 sowie den §§
74a und 74c des Gerichtsverfassungsgesetzes für ihren
Bezirk gegenüber den allgemeinen Strafkammern und untereinander
in der in § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes
bezeichneten Rangfolge und
2. die Jugendgerichte für die Entscheidung, ob Sachen
a) nach § 33 Abs. 1, § 103 Abs. 2 Satz 1 und § 107 des
Jugendgerichtsgesetzes oder
b) als Jugendschutzsachen (§ 26 Abs. 1 Satz 1, § 74b Satz
1 des Gerichtsverfassungsgesetzes)
vor die Jugendgerichte gehören, gegenüber den für allgemeine
Strafsachen zuständigen Gerichten gleicher Ordnung
Gerichten höherer Ordnung gleich.
§ 210 [Rechtsmittel]
(1) 1Der Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet
worden ist, kann von dem Angeklagten nicht angefochten werden.
(2) 1Gegen den Beschluß, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens
abgelehnt oder abweichend von dem Antrag der
Staatsanwaltschaft die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung ausgesprochen
worden ist, steht der Staatsanwaltschaft
sofortige Beschwerde zu.
(3) 1Gibt das Beschwerdegericht der Beschwerde statt, so kann es zugleich
bestimmen, daß die Hauptverhandlung vor einer
anderen Kammer des Gerichts, das den Beschluß nach Absatz 2 erlassen
hat, oder vor einem zu demselben Land gehörenden
benachbarten Gericht gleicher Ordnung stattzufinden hat. 2In Verfahren,
in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug
entschieden hat, kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die
Hauptverhandlung vor einem anderen Senat dieses Gerichts
stattzufinden hat.
§ 211 [Wiederaufnahme nach Ablehnungsbeschluß]
Ist die Eröffnung des Hauptverfahrens durch einen nicht mehr anfechtbaren
Beschluß abgelehnt, so kann die Klage nur auf
Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel wieder aufgenommen werden.
§§ 212 bis 212b (aufgehoben)
Fünfter Abschnitt
Vorbereitung der Hauptverhandlung
§ 213 [Termin zur Hauptverhandlung]
Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts
anberaumt.
§ 214 [Ladungen; Herbeischaffung der Beweismittel]
(1) 1Die zur Hauptverhandlung erforderlichen Ladungen ordnet der Vorsitzende
an. 2Die Geschäftsstelle sorgt dafür, daß die
Ladungen bewirkt werden.
(2) 1Ist anzunehmen, daß sich die Hauptverhandlung auf längere
Zeit erstreckt, so kann der Vorsitzende die Ladung sämtlicher
oder einzelner Zeugen und Sachverständigen zu einem späteren
Zeitpunkt als dem Beginn der Hauptverhandlung anordnen.
(3) 1Der Staatsanwaltschaft steht das Recht der unmittelbaren Ladung weiterer Personen zu.
(4) 1Die Staatsanwaltschaft bewirkt die Herbeischaffung der als Beweismittel
dienenden Gegenstände. 2Diese kann auch vom
Gericht bewirkt werden.
§ 215 [Zustellung des Eröfnungsbeschlusses]
Der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens
ist dem Angeklagten spätestens mit der Ladung zuzustellen.
Entsprechendes gilt in den Fällen des § 207 Abs. 3 für
die nachgereichte Anklageschrift.
§ 216 [Ladung des Angeklagten]
(1) 1Die Ladung eines auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten
geschieht schriftlich unter der Warnung, daß im Falle seines
unentschuldigten Ausbleibens seine Verhaftung oder Vorführung
erfolgen werde. 2Die Warnung kann in den Fällen des § 232
unterbleiben.
(2) 1Der nicht auf freiem Fuß befindliche Angeklagte wird durch
Bekanntmachung des Termins zur Hauptverhandlung gemäß §
35 geladen. 2Dabei ist der Angeklagte zu befragen, ob und welche Anträge
er zu seiner Verteidigung für die Hauptverhandlung
zu stellen habe.
§ 217 [Ladungsfrist]
(1) 1Zwischen der Zustellung der Ladung (§ 216) und dem Tag der
Hauptverhandlung muß eine Frist von mindestens einer
Woche liegen.
(2) 1Ist die Frist nicht eingehalten worden, so kann der Angeklagte
bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache die
Aussetzung der Verhandlung verlangen.
(3) 1Der Angeklagte kann auf die Einhaltung der Frist verzichten.
§ 218 [Ladung des Verteidigers]
Neben dem Angeklagten ist der bestellte Verteidiger stets, der gewählte
Verteidiger dann zu laden, wenn die Wahl dem
Gericht angezeigt worden ist. 2§ 217 gilt entsprechend.
§ 219 [Beweisanträge des Angeklagten]
(1) 1Verlangt der Angeklagte die Ladung von Zeugen oder Sachverständigen
oder die Herbeischaffung anderer Beweismittel
zur Hauptverhandlung, so hat er unter Angabe der Tatsachen, über
die der Beweis erhoben werden soll, seine Anträge bei dem
Vorsitzenden des Gerichts zu stellen. 2Die hierauf ergehende Verfügung
ist ihm bekanntzumachen.
(2) 1Beweisanträge des Angeklagten sind, soweit ihnen stattgegeben ist, der Staatsanwaltschaft mitzuteilen.
§ 220 [Unmittelbare Ladung durch Angeklagten]
(1) 1Lehnt der Vorsitzende den Antrag auf Ladung einer Person ab, so
kann der Angeklagte sie unmittelbar laden lassen.
Hierzu ist er auch ohne vorgängigen Antrag befugt.
(2) 1Eine unmittelbar geladene Person ist nur dann zum Erscheinen verpflichtet,
wenn ihr bei der Ladung die gesetzliche
Entschädigung für Reisekosten und Versäumnis bar dargeboten
oder deren Hinterlegung bei der Geschäftsstelle nachgewiesen
wird.
(3) 1Ergibt sich in der Hauptverhandlung, daß die Vernehmung einer
unmittelbar geladenen Person zur Aufklärung der Sache
dienlich war, so hat das Gericht auf Antrag anzuordnen, daß ihr
die gesetzliche Entschädigung aus der Staatskasse zu gewähren
ist.
§ 221 [Herbeischaffung von Beweismitteln durch Anordnung]
Der Vorsitzende des Gerichts kann auch von Amts wegen die Herbeischaffung
weiterer als Beweismittel dienender
Gegenstände anordnen.
§ 222 [Namhaftmachung der Zeugen und Sachverständigen]
(1) 1Das Gericht hat die geladenen Zeugen und Sachverständigen
der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten rechtzeitig
namhaft zu machen und ihren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. 2Macht
die Staatsanwaltschaft von ihrem Recht nach §
214 Abs. 3 Gebrauch, so hat sie die geladenen Zeugen und Sachverständigen
dem Gericht und dem Angeklagten rechtzeitig
namhaft zu machen und deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. 3§
200 Abs. 1 Satz 3 und 4 gilt sinngemäß.
(2) 1Der Angeklagte hat die von ihm unmittelbar geladenen oder zur
Hauptverhandlung zu stellenden Zeugen und
Sachverständigen rechtzeitig dem Gericht und der Staatsanwaltschaft
namhaft zu machen und ihren Wohn- oder Aufenthaltsort
anzugeben.
§ 222a [Mitteilung der Besetzung des Gerichts]
(1) 1Findet die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht
oder dem Oberlandesgericht statt, so ist
spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung die Besetzung des Gerichts
unter Hervorhebung des Vorsitzenden und
hinzugezogener Ergänzungsrichter und Ergänzungsschöffen
mitzuteilen. 2Die Besetzung kann auf Anordnung des Vorsitzenden
schon vor der Hauptverhandlung mitgeteilt werden; für den Angeklagten
ist die Mitteilung an seinen Verteidiger zu richten.
3Ändert sich die mitgeteilte Besetzung, so ist dies spätestens
zu Beginn der Hauptverhandlung mitzuteilen.
(2) 1Ist die Mitteilung der Besetzung oder einer Besetzungsänderung
später als eine Woche vor Beginn der Hauptverhandlung
zugegangen, so kann das Gericht auf Antrag des Angeklagten, des Verteidigers
oder der Staatsanwaltschaft die
Hauptverhandlung zur Prüfung der Besetzung unterbrechen, wenn
dies spätestens bis zum Beginn der Vernehmung des ersten
Angeklagten zur Sache verlangt wird.
(3) 1In die für die Besetzung maßgebenden Unterlagen kann
für den Angeklagten nur sein Verteidiger oder ein Rechtsanwalt,
für den Nebenkläger nur ein Rechtsanwalt Einsicht nehmen.
§ 222b [Einwand gegen vorschriftswidrige Besetzung]
(1) 1Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a mitgeteilt worden,
so kann der Einwand, daß das Gericht vorschriftswidrig
besetzt sei, nur bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten
zur Sache in der Hauptverhandlung geltend gemacht
werden. 2Die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung
ergeben soll, sind dabei anzugeben. 3Alle
Beanstandungen sind gleichzeitig vorzubringen. 4Außerhalb der
Hauptverhandlung ist der Einwand schriftlich geltend zu
machen; § 345 Abs. 2 und für den Nebenkläger §
390 Abs. 2 gelten entsprechend.
(2) 1Über den Einwand entscheidet das Gericht in der für Entscheidungen
außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen
Besetzung. 2Hält es den Einwand für begründet, so stellt
es fest, daß es nicht vorschriftsmäßig besetzt ist. 3Führt
ein Einwand
zu einer Änderung der Besetzung, so ist auf die neue Besetzung
§ 222a nicht anzuwenden.
§ 223 [Anordnung der Vernehmung durch beauftragten oder ersuchten
Richter]
(1) 1Wenn dem Erscheinen eines Zeugen oder Sachverständigen in
der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit
Krankheit oder Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse
entgegenstehen, so kann das Gericht seine
Vernehmung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter anordnen.
(2) 1Dasselbe gilt, wenn einem Zeugen oder Sachverständigen das
Erscheinen wegen großer Entfernung nicht zugemutet
werden kann.
(3) 1Die Vernehmung von Zeugen hat eidlich zu erfolgen, soweit nicht Ausnahmen vorgeschrieben oder zugelassen sind.
§ 224 [Benachrichtigung der Beteiligten]
(1) 1Von den zum Zweck dieser Vernehmung anberaumten Terminen sind
die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und der
Verteidiger vorher zu benachrichtigen; ihrer Anwesenheit bei der Vernehmung
bedarf es nicht. 2Die Benachrichtigung
unterbleibt, wenn sie den Untersuchungserfolg gefährden würde.
3Das aufgenommene Protokoll ist der Staatsanwaltschaft und
dem Verteidiger vorzulegen.
(2) 1Hat ein nicht in Freiheit befindlicher Angeklagter einen Verteidiger,
so steht ihm ein Anspruch auf Anwesenheit nur bei
solchen Terminen zu, die an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten
werden, wo er in Haft ist.
§ 225 [Augenscheinseinnahme durch beauftragten oder ersuchten
Richter]
Ist zur Vorbereitung der Hauptverhandlung noch ein richterlicher Augenschein
einzunehmen, so sind die Vorschriften des §
224 anzuwenden.
§ 225a [Änderung der Zuständigkeit vor der Hauptverhandlung]
(1) 1Hält ein Gericht vor Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche
Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für
begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft
diesem vor; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt
entsprechend. 2Das Gericht, dem die Sache vorgelegt worden ist, entscheidet
durch Beschluß darüber, ob es die Sache
übernimmt.
(2) 1Werden die Akten von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht
einem Gericht höherer Ordnung vorgelegt, so kann
der Angeklagte innerhalb einer bei der Vorlage zu bestimmenden Frist
die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen.
Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, dem
die Sache vorgelegt worden ist.
(3) 1In dem Übernahmebeschluß sind der Angeklagte und das
Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, zu
bezeichnen. 2§ 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.
3Die Anfechtbarkeit des Beschlusses bestimmt sich
nach § 210.
(4) 1Nach den Absätzen 1 bis 3 ist auch zu verfahren, wenn das
Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung einen Einwand des
Angeklagten nach § 6a für begründet hält und eine
besondere Strafkammer zuständig wäre, der nach § 74e des
Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zukommt. 2Kommt dem Gericht,
das die Zuständigkeit einer anderen Strafkammer
für begründet hält, vor dieser nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes
der Vorrang zu, so verweist es die Sache an diese
mit bindender Wirkung; die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses
bestimmt sich nach § 210.
Sechster Abschnitt
Hauptverhandlung
§ 226 [Ununterbrochene Gegenwart]
Die Hauptverhandlung erfolgt in ununterbrochener Gegenwart der zur
Urteilsfindung berufenen Personen sowie der
Staatsanwaltschaft und eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.
§ 227 [Mehrere Staatsanwälte und Verteidiger]
Es können mehrere Beamte der Staatsanwaltschaft und mehrere Verteidiger
in der Hauptverhandlung mitwirken und ihre
Verrichtungen unter sich teilen.
§ 228 [Aussetzung oder kürzere Unterbrechung]
(1) 1Über die Aussetzung einer Hauptverhandlung oder deren Unterbrechung
nach § 229 Abs. 2 entscheidet das Gericht.
2Kürzere Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an.
(2) 1Eine Verhinderung des Verteidigers gibt, unbeschadet der Vorschrift
des § 145, dem Angeklagten kein Recht, die
Aussetzung der Verhandlung zu verlangen.
(3) 1Ist die Frist des § 217 Abs. 1 nicht eingehalten worden, so
soll der Vorsitzende den Angeklagten mit der Befugnis,
Aussetzung der Verhandlung zu verlangen, bekanntmachen.
§ 229 [Dauer der Unterbrechung]
(1) 1Eine Hauptverhandlung darf bis zu zehn Tagen unterbrochen werden.
(2) 1Hat die Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden,
so darf sie unbeschadet der Vorschrift des
Absatzes 1 einmal auch bis zu dreißig Tagen unterbrochen werden.
2Ist die Hauptverhandlung sodann an mindestens zehn
Tagen fortgesetzt worden, so darf sie ein zweites Mal nach Satz 1 unterbrochen
werden. 3Zusätzlich zu den Unterbrechungen
nach Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 und 2 kann eine Hauptverhandlung
nach Ablauf von zwölf Monaten seit ihrem Beginn
jeweils einmal innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten bis
zu dreißig Tagen unterbrochen werden, wenn sie davor an
mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.
(3) 1Kann ein Angeklagter zu einer Hauptverhandlung, die bereits an
mindestens zehn Tagen stattgefunden hat, wegen
Krankheit nicht erscheinen, so ist der Lauf der in den Absätzen
1 und 2 genannten Fristen während der Dauer der
Verhinderung, längstens jedoch für sechs Wochen, gehemmt;
diese Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der
Hemmung. 2Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren
Beschluß fest.
(4) 1Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf
der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist
fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. 2Ist der Tag nach
Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder
ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag
fortgesetzt werden.
§ 230 [Ausbleiben des Angeklagten]
(1) 1Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung
nicht statt.
(2) 1Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt,
so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu
erlassen.
§ 231 [Anwesenheitspflicht des Angeklagten]
(1) 1Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht
entfernen. 2Der Vorsitzende kann die geeigneten
Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann
er den Angeklagten während einer Unterbrechung der
Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.
(2) 1Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung
einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so
kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn
er über die Anklage schon vernommen war und das Gericht
seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet.
§ 231a [Herbeiführen der Verhandlungsunfähigkeit]
(1) 1Hat sich der Angeklagte vorsätzlich und schuldhaft in einen
seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt
und verhindert er dadurch wissentlich die ordnungsmäßige
Durchführung oder Fortsetzung der Hauptverhandlung in seiner
Gegenwart, so wird die Hauptverhandlung, wenn er noch nicht über
die Anklage vernommen war, in seiner Abwesenheit
durchgeführt oder fortgesetzt, soweit das Gericht seine Anwesenheit
nicht für unerläßlich hält. 2Nach Satz 1 ist nur zu
verfahren, wenn der Angeklagte nach Eröffnung des Hauptverfahrens
Gelegenheit gehabt hat, sich vor dem Gericht oder einem
beauftragten Richter zur Anklage zu äußern.
(2) 1Sobald der Angeklagte wieder verhandlungsfähig ist, hat ihn
der Vorsitzende, solange mit der Verkündung des Urteils
noch nicht begonnen worden ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen
zu unterrichten, was in seiner Abwesenheit verhandelt
worden ist.
(3) 1Die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nach Absatz 1 beschließt
das Gericht nach Anhörung eines Arztes als
Sachverständigen. 2Der Beschluß kann bereits vor Beginn
der Hauptverhandlung gefaßt werden. 3Gegen den Beschluß ist
sofortige Beschwerde zulässig; sie hat aufschiebende Wirkung.
4Eine bereits begonnene Hauptverhandlung ist bis zur
Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu unterbrechen; die
Unterbrechung darf, auch wenn die Voraussetzungen des §
229 Abs. 2 nicht vorliegen, bis zu dreißig Tagen dauern.
(4) 1Dem Angeklagten, der keinen Verteidiger hat, ist ein Verteidiger
zu bestellen, sobald eine Verhandlung ohne den
Angeklagten nach Absatz 1 in Betracht kommt.
§ 231b [Entfernung des Angeklagten aus Sitzungszimmer]
(1) 1Wird der Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer
entfernt oder zur Haft abgeführt (§
177 des Gerichtsverfassungsgesetzes), so kann in seiner Abwesenheit
verhandelt werden, wenn das Gericht seine fernere
Anwesenheit nicht für unerläßlich hält und solange
zu befürchten ist, daß die Anwesenheit des Angeklagten den Ablauf
der
Hauptverhandlung in schwerwiegender Weise beeinträchtigen würde.
2Dem Angeklagten ist in jedem Fall Gelegenheit zu
geben, sich zur Anklage zu äußern.
(2) 1Sobald der Angeklagte wieder vorgelassen ist, ist nach § 231a Abs. 2 zu verfahren.
§ 231c [Gestattete Entfernung einzelner Angeklagter]
Findet die Hauptverhandlung gegen mehrere Angeklagte statt, so kann
durch Gerichtsbeschluß einzelnen Angeklagten, im
Falle der notwendigen Verteidigung auch ihren Verteidigern, auf Antrag
gestattet werden, sich während einzelner Teile der
Verhandlung zu entfernen, wenn sie von diesen Verhandlungsteilen nicht
betroffen sind. 2In dem Beschluß sind die
Verhandlungsteile zu bezeichnen, für die die Erlaubnis gilt. 3Die
Erlaubnis kann jederzeit widerrufen werden.
§ 232 [Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten]
(1) 1Die Hauptverhandlung kann ohne den Angeklagten durchgeführt
werden, wenn er ordnungsgemäß geladen und in der
Ladung darauf hingewiesen worden ist, daß in seiner Abwesenheit
verhandelt werden kann, und wenn nur Geldstrafe bis zu
einhundertachtzig Tagessätzen, Verwarnung mit Strafvorbehalt,
Fahrverbot, Verfall, Einziehung, Vernichtung oder
Unbrauchbarmachung, allein oder nebeneinander, zu erwarten ist. 2Eine
höhere Strafe oder eine Maßregel der Besserung und
Sicherung darf in diesem Verfahren nicht verhängt werden. 3Die
Entziehung der Fahrerlaubnis ist zulässig, wenn der Angeklagte
in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
(2) 1Auf Grund einer Ladung durch öffentliche Bekanntmachung findet die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten nicht statt.
(3) 1Die Niederschrift über eine richterliche Vernehmung des Angeklagten wird in der Hauptverhandlung verlesen.
(4) 1Das in Abwesenheit des Angeklagten ergehende Urteil muß ihm
mit den Urteilsgründen durch Übergabe zugestellt werden,
wenn es nicht nach § 145a Abs. 1 dem Verteidiger zugestellt wird.
§ 233 [Entbindung des Angeklagten von Verpflichtung zum Erscheinen]
(1) 1Der Angeklagte kann auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum
Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden
werden, wenn nur Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, Geldstrafe bis
zu einhundertachtzig Tagessätzen, Verwarnung mit
Strafvorbehalt, Fahrverbot, Verfall, Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung,
allein oder nebeneinander, zu
erwarten ist. 2Eine höhere Strafe oder eine Maßregel der
Besserung und Sicherung darf in seiner Abwesenheit nicht verhängt
werden. 3Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist zulässig.
(2) 1Wird der Angeklagte von der Verpflichtung zum Erscheinen in der
Hauptverhandlung entbunden, so muß er durch einen
beauftragten oder ersuchten Richter über die Anklage vernommen
werden. 2Dabei wird er über die bei Verhandlung in seiner
Abwesenheit zulässigen Rechtsfolgen belehrt sowie befragt, ob
er seinen Antrag auf Befreiung vom Erscheinen in der
Hauptverhandlung aufrechterhalte.
(3) 1Von dem zum Zweck der Vernehmung anberaumten Termin sind die Staatsanwaltschaft
und der Verteidiger zu
benachrichtigen; ihrer Anwesenheit bei der Vernehmung bedarf es nicht.
2Das Protokoll über die Vernehmung ist in der
Hauptverhandlung zu verlesen.
§ 234 [Vertretung bei Abwesenheit]
Soweit die Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten stattfinden
kann, ist er befugt, sich durch einen mit
schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten zu lassen.
§ 234a [Hinweispflicht gegenüber Verteidiger]
Findet die Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten statt,
so genügt es, wenn die nach § 265 Abs. 1 und 2
erforderlichen Hinweise dem Verteidiger gegeben werden; der Verzicht
des Angeklagten nach § 61 Nummer 5 sowie sein
Einverständnis nach § 245 Abs. 1 Satz 2 und nach § 251
Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 sind nicht erforderlich, wenn ein Verteidiger an
der Hauptverhandlung teilnimmt.
§ 235 [Wiedereinsetzung in den vorigen Stand]
Hat die Hauptverhandlung gemäß § 232 ohne den Angeklagten
stattgefunden, so kann er gegen das Urteil binnen einer
Woche nach seiner Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
unter den gleichen Voraussetzungen wie gegen die
Versäumung einer Frist nachsuchen; hat er von der Ladung zur Hauptverhandlung
keine Kenntnis erlangt, so kann er stets die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beanspruchen. 2Hierüber
ist der Angeklagte bei der Zustellung des Urteils zu belehren.
§ 236 [Persönliches Erscheinen durch Anordnung und Erzwingung]
Das Gericht ist stets befugt, das persönliche Erscheinen des Angeklagten
anzuordnen und durch einen Vorführungsbefehl oder
Haftbefehl zu erzwingen.
§ 237 [Verbindung mehrerer Strafsachen]
Das Gericht kann im Falle eines Zusammenhangs zwischen mehreren bei
ihm anhängigen Strafsachen ihre Verbindung zum
Zwecke gleichzeitiger Verhandlung anordnen, auch wenn dieser Zusammenhang
nicht der in § 3 bezeichnete ist
§ 237 [Verbindung mehrerer Strafsachen]
Das Gericht kann im Falle eines Zusammenhangs zwischen mehreren bei
ihm anhängigen Strafsachen ihre Verbindung zum
Zwecke gleichzeitiger Verhandlung anordnen, auch wenn dieser Zusammenhang
nicht der in § 3 bezeichnete ist.
§ 238 [Verhandlungsleitung]
(1) 1Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und
die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den
Vorsitzenden.
(2) 1Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden
von einer bei der Verhandlung beteiligten Person
als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.
§ 239 [Kreuzverhör]
(1) 1Die Vernehmung der von der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten
benannten Zeugen und Sachverständigen ist der
Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger auf deren übereinstimmenden
Antrag von dem Vorsitzenden zu überlassen. 2Bei den
von der Staatsanwaltschaft benannten Zeugen und Sachverständigen
hat diese, bei den von dem Angeklagten benannten der
Verteidiger in erster Reihe das Recht zur Vernehmung.
(2) 1Der Vorsitzende hat auch nach dieser Vernehmung die ihm zur weiteren
Aufklärung der Sache erforderlich scheinenden
Fragen an die Zeugen und Sachverständigen zu richten.
§ 240 [Fragerecht]
(1) 1Der Vorsitzende hat den beisitzenden Richtern auf Verlangen zu
gestatten, Fragen an den Angeklagten, die Zeugen und die
Sachverständigen zu stellen.
(2) 1Dasselbe hat der Vorsitzende der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten
und dem Verteidiger sowie den Schöffen zu
gestatten. 2Die unmittelbare Befragung eines Angeklagten durch einen
Mitangeklagten ist unzulässig.
§ 241 [Entzug der Vernehmungsbefugnis]
(1) 1Dem, welcher im Falle des § 239 Abs. 1 die Befugnis der Vernehmung
mißbraucht, kann sie von dem Vorsitzenden
entzogen werden.
(2) 1In den Fällen des § 239 Abs. 1 und des § 240 Abs.
2 kann der Vorsitzende ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende
Fragen zurückweisen.
§ 241a [Vernehmung von Zeugen unter sechzehn Jahren]
(1) 1Die Vernehmung von Zeugen unter sechzehn Jahren wird allein von
dem Vorsitzenden durchgeführt.
(2) 1Die in § 240 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Personen
können verlangen, daß der Vorsitzende den Zeugen
weitere Fragen stellt. 2Der Vorsitzende kann diesen Personen eine unmittelbare
Befragung der Zeugen gestatten, wenn nach
pflichtgemäßem Ermessen ein Nachteil für das Wohl der
Zeugen nicht zu befürchten ist.
(3) 1§ 241 Abs. 2 gilt entsprechend.
§ 242 [Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage]
Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet in
allen Fällen das Gericht.
§ 243 [Verlauf der Hauptverhandlung]
(1) 1Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. 2Der Vorsitzende
stellt fest, ob der Angeklagte und der
Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere
die geladenen Zeugen und Sachverständigen
erschienen sind.
(2) 1Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. 2Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.
(3) 1Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. 2Dabei legt er
in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift
zugrunde. 3In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt
der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß
zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann
er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. 4In den Fällen
des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen,
die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur
Hauptverhandlung beschlossen hat.
(4) 1Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm
freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache
auszusagen. 2Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so
wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen.
3Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden,
als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. 4Wann
sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.
§ 244 [Beweisaufnahme]
(1) 1Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) 1Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme
von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel
zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) 1Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises
unzulässig ist. 2Im übrigen darf ein Beweisantrag nur
abgelehnt werden, wenn eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig
ist, wenn die Tatsache, die bewiesen werden
soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung oder schon erwiesen
ist, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder wenn es
unerreichbar ist, wenn der Antrag zum Zweck der Prozeßverschleppung
gestellt ist oder wenn eine erhebliche Behauptung, die
zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden
kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) 1Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann,
soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt
werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt.
2Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann
auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das
Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist;
dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft
ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden
tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche
enthält oder wenn der neue Sachverständige über
Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters
überlegen erscheinen.
(5) 1Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt
werden, wenn der Augenschein nach dem
pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der
Wahrheit nicht erforderlich ist. 2Unter derselben Voraussetzung
kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden,
dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre.
(6) 1Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses.
§ 245 [Umfang der Beweisaufnahme]
(1) 1Die Beweisaufnahme ist auf alle vom Gericht vorgeladenen und auch
erschienenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf
die sonstigen nach § 214 Absatz 4 vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft
herbeigeschafften Beweismittel zu erstrecken, es
sei denn, daß die Beweiserhebung unzulässig ist. 2Von der
Erhebung einzelner Beweise kann abgesehen werden, wenn die
Staatsanwaltschaft, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden
sind.
(2) 1Zu einer Erstreckung der Beweisaufnahme auf die vom Angeklagten
oder der Staatsanwaltschaft vorgeladenen und auch
erschienenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf die sonstigen
herbeigeschafften Beweismittel ist das Gericht nur
verpflichtet, wenn ein Beweisantrag gestellt wird. 2Der Antrag ist
abzulehnen, wenn die Beweiserhebung unzulässig ist. 3Im
übrigen darf er nur abgelehnt werden, wenn die Tatsache, die bewiesen
werden soll, schon erwiesen oder offenkundig ist, wenn
zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Zusammenhang
besteht, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet ist
oder wenn der Antrag zum Zwecke der Prozeßverschleppung gestellt
ist.
§ 246 [Verspätete Beweisanträge]
(1) 1Eine Beweiserhebung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil
das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu
spät vorgebracht worden sei.
(2) 1Ist jedoch ein zu vernehmender Zeuge oder Sachverständiger
dem Gegner des Antragstellers so spät namhaft gemacht
oder eine zu beweisende Tatsache so spät vorgebracht worden, daß
es dem Gegner an der zur Einziehung von Erkundigungen
erforderlichen Zeit gefehlt hat, so kann er bis zum Schluß der
Beweisaufnahme die Aussetzung der Hauptverhandlung zum
Zweck der Erkundigung beantragen.
(3) 1Dieselbe Befugnis haben die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte
bei den auf Anordnung des Vorsitzenden oder des
Gerichts geladenen Zeugen oder Sachverständigen.
(4) 1Über die Anträge entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen.
§ 246a [Vernehmung ärztlicher Sachverständiger]
Ist damit zu rechnen, daß die Unterbringung des Angeklagten in
einem psychiatrischen Krankenhaus, einer Entziehungsanstalt
oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet werden wird, so ist in
der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den
Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen.
2Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht
schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung
Gelegenheit gegeben werden.
§ 247 [Entfernung des Angeklagten]
Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während
einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu
befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner
Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit
nicht sagen. 2Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person
unter sechzehn Jahren als Zeuge in Gegenwart des
Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu
befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen
Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr
eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit
besteht. 3Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von
Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die
Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil
für seine Gesundheit zu befürchten ist. 4Der
Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist,
von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was
während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden
ist.
§ 247a [Aufenthalt des Zeugen an anderem Ort]
Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für
das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der
Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, und kann sie nicht in anderer
Weise, namentlich durch eine Entfernung des
Angeklagten sowie den Ausschluß der Öffentlichkeit abgewendet
werden, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich
während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine
solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251
Abs. 1 Nr. 2, 3 oder 4 zulässig, soweit dies zur Erforschung der
Wahrheit erforderlich ist. 2Die Entscheidung ist unanfechtbar.
3Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer
übertragen. 4Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu
besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung
nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur
Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. 5§ 58a Abs. 2 findet
entsprechende Anwendung.
§ 248 [Entlassung von Zeugen und Sachverständigen]
Die vernommenen Zeugen und Sachverständigen dürfen sich nur
mit Genehmigung oder auf Anweisung des Vorsitzenden von
der Gerichtsstelle entfernen. 2Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte
sind vorher zu hören.
§ 249 [Verlesung von Schriftstücken]
(1) 1Urkunden und andere als Beweismittel dienende Schriftstücke
werden in der Hauptverhandlung verlesen. 2Dies gilt
insbesondere von früher ergangenen Strafurteilen, von Straflisten
und von Auszügen aus Kirchenbüchern und
Personenstandsregistern und findet auch Anwendung auf Protokolle über
die Einnahme des richterlichen Augenscheins.
(2) 1Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§
253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen
vom Wortlaut der Urkunde oder des Schriftstücks Kenntnis genommen
haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit
hatten. 2Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger
unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden,
nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. 3Die Anordnung
des Vorsitzenden, die Feststellungen über die
Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in
das Protokoll aufzunehmen.
§ 250 [Unmittelbarkeitsgrundsatz]
Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person,
so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen.
Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere
Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer
schriftlichen Erklärung ersetzt werden.
§ 251 [Verlesung von Protokollen]
(1) 1Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten
darf durch Verlesung der Niederschrift über
seine frühere richterliche Vernehmung ersetzt werden, wenn
1. der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben
oder in Geisteskrankheit verfallen ist oder wenn sein Aufenthalt
nicht zu ermitteln ist;
2. dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten
in der Hauptverhandlung für eine längere oder
ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende
Hindernisse entgegenstehen;
3. dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung
wegen großer Entfernung unter
Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet
werden kann;
4. der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung
einverstanden sind.
(2) 1Hat der Angeklagte einen Verteidiger, so kann die Vernehmung eines
Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten
durch die Verlesung einer Niederschrift über eine andere Vernehmung
oder einer Urkunde, die eine von ihm stammende
schriftliche Erklärung enthält, ersetzt werden, wenn der
Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden
sind. 2Im übrigen ist die Verlesung nur zulässig, wenn der
Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus
einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen
werden kann.
(3) 1Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung,
insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung
darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen
sollen, so dürfen Vernehmungsniederschriften,
Urkunden und andere als Beweismittel dienende Schriftstücke auch
sonst verlesen werden.
(4) 1In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das
Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. 2Der Grund der Verlesung
wird bekanntgegeben. 3Wird die Niederschrift über eine richterliche
Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der
Vernommene vereidigt worden ist. 4Die Vereidigung wird nachgeholt,
wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch
ausführbar ist.
§ 252 [Unstatthafte Verleseung]
Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der
erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das
Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.
§ 253 [Verlesung zur Unterstützung des Gedächtnisses]
(1) 1Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, daß er
sich einer Tatsache nicht mehr erinnere, so kann der hierauf bezügliche
Teil des Protokolls über seine frühere Vernehmung zur Unterstützung
seines Gedächtnisses verlesen werden.
(2) 1Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender
Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf
andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder
behoben werden kann.
§ 254 [Verlesung richterlicher Protokolle und bei widersprüchlicher
Aussage]
(1) 1Erklärungen des Angeklagten, die in einem richterlichen Protokoll
enthalten sind, können zum Zweck der Beweisaufnahme
über ein Geständnis verlesen werden.
(2) 1Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender
Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf
andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder
behoben werden kann.
§ 255 [Protokollierung der Verlesung]
In den Fällen der §§ 253 und 254 ist die Verlesung und
ihr Grund auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten im
Protokoll zu erwähnen.
§ 255a [Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung]
(1) 1Für die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung
gelten die Vorschriften zur Verlesung einer
Niederschrift über eine Vernehmung gemäß §§
251, 252, 253 und 255 entsprechend.
(2) 1In Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
(§§ 174 bis 184c des Strafgesetzbuches) oder gegen
das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuches) oder wegen
Mißhandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des
Strafgesetzbuches) kann die Vernehmung eines Zeugen unter sechzehn
Jahren durch die Vorführung der
Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung
ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger
Gelegenheit hatten, an dieser mitzuwirken. 2Eine ergänzende Vernehmung
des Zeugen ist zulässig.
§ 256 [Verlesbare Erklärungen, Atteste, Gutachten]
(1) 1Die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen
öffentlicher Behörden sowie der Ärzte eines
gerichtsärztlichen Dienstes mit Ausschluß von Leumundszeugnissen
sowie ärztliche Atteste über Körperverletzungen, die nicht
zu den schweren gehören, können verlesen werden. 2Dasselbe
gilt für Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreibers,
die Bestimmung der Blutgruppe oder des Blutalkoholgehalts einschließlich
seiner Rückrechnung sowie für ärztliche Berichte zur
Entnahme von Blutproben.
(2) 1Ist das Gutachten einer kollegialen Fachbehörde eingeholt
worden, so kann das Gericht die Behörde ersuchen, eines ihrer
Mitglieder mit der Vertretung des Gutachtens in der Hauptverhandlung
zu beauftragen und dem Gericht zu bezeichnen.
§ 257 [Erklärungen des Angeklagten, des Staatsanwaltes
und des Verteidigers]
(1) 1Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder
einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt
werden, ob er dazu etwas zu erklären habe.
(2) 1Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach
der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder
einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.
(3) 1Die Erklärungen dürfen den Schlußvortrag nicht vorwegnehmen.
§ 257a [Schriftliche Anträge und Anregungen zu Verfahrensfragen]
Das Gericht kann den Verfahrensbeteiligten aufgeben, Anträge und
Anregungen zu Verfahrensfragen schriftlich zu stellen.
Dies gilt nicht für die in § 258 bezeichneten Anträge.
3§ 249 findet entsprechende Anwendung.
§ 258 [Schlußvorträge]
(1) 1Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt
und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und
Anträgen das Wort.
(2) 1Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.
(3) 1Der Angeklagte ist, auch wenn ein Verteidiger für ihn gesprochen
hat, zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner
Verteidigung anzuführen habe.
§ 259 [Dolmetscher]
(1) 1Einem der Gerichtssprache nicht mächtigen Angeklagten müssen
aus den Schlußvorträgen mindestens die Anträge des
Staatsanwalts und des Verteidigers durch den Dolmetscher bekanntgemacht
werden.
(2) 1Dasselbe gilt von einem tauben Angeklagten, sofern nicht eine schriftliche Verständigung erfolgt.
§ 260 [Urteil]
(1) 1Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden
Verkündung des Urteils.
(2) 1Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der
Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig,
dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.
(3) 1Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) 1Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren
der Angeklagte schuldig gesprochen wird. 2Hat ein
Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur
rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. 3Wird eine
Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze
in die Urteilsformel aufzunehmen. 4Wird die Strafe oder Maßregel
der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte
mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe
abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen.
5Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem
Ermessen des Gerichts.
(5) 1Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach
Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der
Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. 2Ist bei einer Verurteilung,
durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von
nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung
nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer
Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem
§ 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.
§ 261 [Freie Beweiswürdigung]
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach
seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung
geschöpften Überzeugung.
§ 262 [Entscheidung in bürgerlich-rechtlichen Fragen]
(1) 1Hängt die Strafbarkeit einer Handlung von der Beurteilung
eines bürgerlichen Rechtsverhältnisses ab, so entscheidet das
Strafgericht auch über dieses nach den für das Verfahren
und den Beweis in Strafsachen geltenden Vorschriften.
(2) 1Das Gericht ist jedoch befugt, die Untersuchung auszusetzen und
einem der Beteiligten zur Erhebung der Zivilklage eine
Frist zu bestimmen oder das Urteil des Zivilgerichts abzuwarten.
§ 263 [Abstimmung]
(1) 1Zu jeder dem Angeklagten nachteiligen Entscheidung über die
Schuldfrage und die Rechtsfolgen der Tat ist eine Mehrheit
von zwei Dritteln der Stimmen erforderlich.
(2) 1Die Schuldfrage umfaßt auch solche vom Strafgesetz besonders
vorgesehene Umstände, welche die Strafbarkeit
ausschließen, vermindern oder erhöhen.
(3) 1Die Schuldfrage umfaßt nicht die Voraussetzungen der Verjährung.
§ 264 [Gegenstand der Urteilsfindung]
(1) 1Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete
Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung
darstellt.
(2) 1Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß
über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht
gebunden.
§ 265 [Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes]
(1) 1Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der
gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten
Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung
des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen
und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) 1Ebenso ist zu verfahren, wenn sich erst in der Verhandlung vom
Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben,
welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßregel
der Besserung und Sicherung rechtfertigen.
(3) 1Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung
nicht genügend vorbereitet zu sein, neu
hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren
Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in
der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den
im zweiten Absatz bezeichneten gehören, so ist auf seinen
Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) 1Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung
auszusetzen, falls dies infolge der
veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage
oder der Verteidigung angemessen erscheint.
§ 265a [Auflagen und Weisungen]
Kommen Auflagen oder Weisungen (§§ 56b, 56c, 59a Abs. 2 des
Strafgesetzbuches) in Betracht, so ist der Angeklagte in
geeigneten Fällen zu befragen, ob er sich zu Leistungen erbietet,
die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, oder
Zusagen für seine künftige Lebensführung macht. 2Kommt
die Weisung in Betracht, sich einer Heilbehandlung oder einer
Entziehungskur zu unterziehen oder in einem geeigneten Heim oder einer
geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen, so ist er zu
befragen, ob er hierzu seine Einwilligung gibt.
§ 266 [Nachtragsanklage]
(1) 1Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage
auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das
Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn
es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt.
(2) 1Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. 2Ihr Inhalt
entspricht dem § 200 Abs. 1. 3Sie wird in die
Sitzungsniederschrift aufgenommen. 4Der Vorsitzende gibt dem Angeklagten
Gelegenheit, sich zu verteidigen.
(3) 1Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es der Vorsitzende für
erforderlich hält oder wenn der Angeklagte es beantragt
und sein Antrag nicht offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung
des Verfahrens gestellt ist. 2Auf das Recht, die
Unterbrechung zu beantragen, wird der Angeklagte hingewiesen.
§ 267 [Urteilsgründe]
(1) 1Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe
die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die
gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. 2Soweit der Beweis
aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch
diese Tatsachen angegeben werden. 3Auf Abbildungen, die sich bei den
Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten
verwiesen werden.
(2) 1Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene
Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit
ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die
Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände
für
festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) 1Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung
gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände
anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen
sind. 2Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen
minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe
ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in
der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt
entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in
den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. 3Die Urteilsgründe
müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall
nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind,
unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall
vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl
ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2
entsprechend. 4Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb
die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der
Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist;
dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit
Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe.
(4) 1Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder
wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so
müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale
der Straftat gefunden werden, und das angewendete
Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe
lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die
Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des
Führerscheins anordnen, kann hierbei auf den
zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418
Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag
verwiesen werden. 2Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt
das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des
Einzelfalls nach seinem Ermessen. 3Die Urteilsgründe können
innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt
werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des
Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt
wird.
(5) 1Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe
ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob
und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat
für nicht strafbar erachtet worden ist. 2Verzichten alle zur
Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist
kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu
werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen
oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden
ist. 3Absatz 4 Satz 3 ist anzuwenden.
(6) 1Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel
der Besserung und Sicherung angeordnet oder einem in
der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet worden
ist. 2Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre
nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet
worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht
kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die
Maßregel nicht angeordnet worden ist.
§ 268 [Urteilsverkündung]
(1) 1Das Urteil ergeht im Namen des Volkes.
(2) 1Das Urteil wird durch Verlesung der Urteilsformel und Eröffnung
der Urteilsgründe verkündet. 2Die Eröffnung der
Urteilsgründe geschieht durch Verlesung oder durch mündliche
Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts. 3Die Verlesung der
Urteilsformel hat in jedem Falle der Mitteilung der Urteilsgründe
voranzugehen.
(3) 1Das Urteil soll am Schluß der Verhandlung verkündet
werden. 2Es muß spätestens am elften Tage danach verkündet
werden, andernfalls mit der Hauptverhandlung von neuem zu beginnen
ist. 3§ 229 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.
(4) 1War die Verkündung des Urteils ausgesetzt, so sind die Urteilsgründe tunlichst vorher schriftlich festzustellen.
§ 268a [Aussetzung der Strafe oder Maßregel zur Bewährung]
(1) 1Wird in dem Urteil die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder
der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt, so trifft das
Gericht die in den §§ 56a bis 56d und 59a des Strafgesetzbuches
bezeichneten Entscheidungen durch Beschluß; dieser ist mit
dem Urteil zu verkünden.
(2) 1Absatz 1 gilt entsprechend, wenn in dem Urteil eine Maßregel
der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt
oder neben der Strafe Führungsaufsicht angeordnet wird und das
Gericht Entscheidungen nach den §§ 68a bis 68c des
Strafgesetzbuches trifft.
(3) 1Der Vorsitzende belehrt den Angeklagten über die Bedeutung
der Aussetzung der Strafe oder Maßregel zur Bewährung,
der Verwarnung mit Strafvorbehalt oder der Führungsaufsicht, über
die Dauer der Bewährungszeit oder der Führungsaufsicht,
über die Auflagen und Weisungen sowie über die Möglichkeit
des Widerrufs der Aussetzung oder der Verurteilung zu der
vorbehaltenen Strafe (§ 56f Abs. 1, §§ 59b, 67g Abs.
1 des Strafgesetzbuches). 2Erteilt das Gericht dem Angeklagten
Weisungen nach § 68b Abs. 1 des Strafgesetzbuches, so belehrt
der Vorsitzende ihn auch über die Möglichkeit einer
Bestrafung nach § 145a des Strafgesetzbuches. 3Die Belehrung ist
in der Regel im Anschluß an die Verkündung des
Beschlusses nach den Absätzen 1 oder 2 zu erteilen. 4Wird die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur
Bewährung ausgesetzt, so kann der Vorsitzende von der Belehrung
über die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung
absehen.
§ 268b [Fortdauer der Untersuchungshaft]
Bei der Urteilsfällung ist zugleich von Amts wegen über die
Fortdauer der Untersuchungshaft oder einstweiligen Unterbringung
zu entscheiden. 2Der Beschluß ist mit dem Urteil zu verkünden.
§ 268c [Belehrung über Beginn der Fahrverbotsfrist]
Wird in dem Urteil ein Fahrverbot angeordnet, so belehrt der Vorsitzende
den Angeklagten über den Beginn der Verbotsfrist
(§ 44 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches). 2Die Belehrung wird
im Anschluß an die Urteilsverkündung erteilt. 3Ergeht das
Urteil in Abwesenheit des Angeklagten, so ist er schriftlich zu belehren.
§ 269 [Verbot der Verweisung an Gericht niederer Ordnung]
Das Gericht darf sich nicht für unzuständig erklären,
weil die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung gehöre.
§ 270 [Verweisung an Gericht höherer Ordnung]
(1) 1Hält ein Gericht nach Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche
Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für
begründet, so verweist es die Sache durch Beschluß an das
zuständige Gericht; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend.
2Ebenso ist zu verfahren, wenn das Gericht einen rechtzeitig geltend
gemachten Einwand des Angeklagten nach § 6a für
begründet hält.
(2) 1In dem Beschluß bezeichnet das Gericht den Angeklagten und die Tat gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1.
(3) 1Der Beschluß hat die Wirkung eines das Hauptverfahren eröffnenden
Beschlusses. 2Seine Anfechtbarkeit bestimmt sich
nach § 210.
(4) 1Ist der Verweisungsbeschluß von einem Strafrichter oder einem
Schöffengericht ergangen, so kann der Angeklagte
innerhalb einer bei der Bekanntmachung des Beschlusses zu bestimmenden
Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen
vor der Hauptverhandlung beantragen. 2Über den Antrag entscheidet
der Vorsitzende des Gerichts, an das die Sache
verwiesen worden ist.
§ 271 [Sitzungsprotokoll]
(1) 1Über die Hauptverhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen und
von dem Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle zu unterschreiben. 2Der Tag der Fertigstellung
ist darin anzugeben.
(2) 1Ist der Vorsitzende verhindert, so unterschreibt für ihn
der älteste beisitzende Richter. 2Ist der Vorsitzende das einzige
richterliche Mitglied des Gerichts, so genügt bei seiner Verhinderung
die Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.
§ 272 [Inhalt des Protokolls]
Das Protokoll über die Hauptverhandlung enthält
1. den Ort und den Tag der Verhandlung;
2. die Namen der Richter und Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft,
des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und
des zugezogenen Dolmetschers;
3. die Bezeichnung der Straftat nach der Anklage;
4. die Namen der Angeklagten, ihrer Verteidiger, der Privatkläger,
Nebenkläger, Verletzten, die Ansprüche aus der Straftat
geltend machen, der sonstigen Nebenbeteiligten, gesetzlichen Vertreter,
Bevollmächtigten und Beistände;
5. die Angabe, daß öffentlich verhandelt oder die Öffentlichkeit
ausgeschlossen ist.
§ 273 [Anforderungen an das Protokoll]
(1) 1Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung
im wesentlichen wiedergeben und die
Beobachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen,
auch die Bezeichnung der verlesenen Schriftstücke oder
derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden
ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten
Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten.
(2) 1Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht
sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der
Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle
zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten
oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird.
(3) 1Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung
oder des Wortlauts einer Aussage oder einer
Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder
auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die
vollständige Niederschreibung und Verlesung anzuordnen. 2Lehnt
der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf
Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. 3In
dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung
geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen
erhoben worden sind.
(4) 1Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.
§ 274 [Beweiskraft des Protokolls]
Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen
Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen
werden. 2Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des
Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
§ 275 [Urteilsniederschrift]
(1) 1Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig
in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu
den Akten zu bringen. 2Dies muß spätestens fünf Wochen
nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn
die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei
Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn
Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen
um weitere zwei Wochen. 3Nach Ablauf
der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert
werden. 4Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange
das
Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren
Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. 5Der
Zeitpunkt des Eingangs und einer Änderung der Gründe ist
von der Geschäftsstelle zu vermerken.
(2) 1Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt
haben, zu unterschreiben. 2Ist ein Richter verhindert,
seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des
Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen
Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil
vermerkt. 3Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.
(3) 1Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter,
der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft,
des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die
an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil
aufzunehmen.
(4) 1Die Ausfertigungen und Auszüge der Urteile sind von dem Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit
dem Gerichtssiegel zu versehen.
Siebenter Abschnitt
Verfahren gegen Abwesende
§ 276 [Begriff der Abwesenheit]
Ein Beschuldigter gilt als abwesend, wenn sein Aufenthalt unbekannt
ist oder wenn er sich im Ausland aufhält und seine
Gestellung vor das zuständige Gericht nicht ausführbar oder
nicht angemessen erscheint.
§§ 277 bis 284 (weggefallen)
§ 285 [Zweck der Beweissicherung]
(1) 1Gegen einen Abwesenden findet keine Hauptverhandlung statt. 2Das
gegen einen Abwesenden eingeleitete Verfahren hat
die Aufgabe, für den Fall seiner künftigen Gestellung die
Beweise zu sichern.
(2) 1Für dieses Verfahren gelten die Vorschriften der §§ 286 bis 294.
§ 286 [Verteidiger]
(1) 1Für den Angeklagten kann ein Verteidiger auftreten. 2Auch
Angehörige des Angeklagten sind, auch ohne Vollmacht, als
Vertreter zuzulassen.
(2) 1Zeugen sind, soweit nicht Ausnahmen vorgeschrieben oder zugelassen sind, eidlich zu vernehmen.
§ 287 [Benachrichtigung des Abwesenden]
(1) 1Dem abwesenden Beschuldigten steht ein Anspruch auf Benachrichtigung
über den Fortgang des Verfahrens nicht zu.
(2) 1Der Richter ist jedoch befugt, einem Abwesenden, dessen Aufenthalt bekannt ist, Benachrichtigungen zugehen zu lassen.
§ 288 [Aufforderung des Abwesenden]
Der Abwesende, dessen Aufenthalt unbekannt ist, kann in einem oder
mehreren öffentlichen Blättern zum Erscheinen vor
Gericht oder zur Anzeige seines Aufenthaltsortes aufgefordert werden.
§ 289 [Kommissarische Beweisaufnahme]
Stellt sich erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Abwesenheit
des Angeklagten heraus, so erfolgen die noch
erforderlichen Beweisaufnahmen durch einen beauftragten oder ersuchten
Richter.
§ 290 [Vermögensbeschlagnahme]
(1) 1Liegen gegen den Abwesenden, gegen den die öffentliche Klage
erhoben ist, Verdachtsgründe vor, die den Erlaß eines
Haftbefehls rechtfertigen würden, so kann sein im Geltungsbereich
dieses Bundesgesetzes befindliches Vermögen durch
Beschluß des Gerichts mit Beschlag belegt werden.
(2) 1Wegen Straftaten, die nur mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten
oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig
Tagessätzen bedroht sind, findet keine Vermögensbeschlagnahme
statt.
§ 291 [Bekanntmachung der Beschlagnahme]
Der die Beschlagnahme verhängende Beschluß ist durch den
Bundesanzeiger bekanntzumachen und kann nach dem Ermessen
des Gerichts auch durch andere Blätter veröffentlicht werden.
§ 292 [Wirkung der Bekanntmachung]
(1) 1Mit dem Zeitpunkt der ersten Bekanntmachung im Bundesanzeiger
verliert der Angeschuldigte das Recht, über das in
Beschlag genommene Vermögen unter Lebenden zu verfügen.
(2) 1Der die Beschlagnahme verhängende Beschluß ist der Behörde
mitzuteilen, die für die Einleitung einer Pflegschaft über
Abwesende zuständig ist. 2Diese Behörde hat eine Pflegschaft
einzuleiten.
§ 293 [Aufhebung der Beschlagnahme]
(1) 1Die Beschlagnahme ist aufzuheben, wenn ihre Gründe weggefallen
sind.
(2) 1Die Aufhebung der Beschlagnahme ist durch dieselben Blätter
bekanntzumachen, durch welche die Beschlagnahme selbst
veröffentlicht worden war.
§ 294 [Vorschriften über Eröffnung des Hauptverfahrens]
(1) 1Für das nach Erhebung der öffentlichen Klage eintretende
Verfahren gelten im übrigen die Vorschriften über die Eröffnung
des Hauptverfahrens entsprechend.
(2) 1In dem nach Beendigung dieses Verfahrens ergehenden Beschluß
(§ 199) ist zugleich über die Fortdauer oder Aufhebung
der Beschlagnahme zu entscheiden.
§ 295 [Sicheres Geleit]
(1) 1Das Gericht kann einem abwesenden Beschuldigten sicheres Geleit
erteilen; es kann diese Erteilung an Bedingungen
knüpfen.
(2) 1Das sichere Geleit gewährt Befreiung von der Untersuchungshaft, jedoch nur wegen der Straftat, für die es erteilt ist.
(3) 1Es erlischt, wenn ein auf Freiheitsstrafe lautendes Urteil ergeht
oder wenn der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft oder
wenn er die Bedingungen nicht erfüllt, unter denen ihm das sichere
Geleit erteilt worden ist.