Vom 8.3.1971, BGBl I S. 157
BGBl III 313-4
Zuletzt geändert durch Erstes Gesetz zur Bereinigung
von SED-Unrecht vom 29.10.1992, BGBl I S. 1814
§ 1 Entschädigung für Urteilsfolgen
(1) 1Wer durch eine strafgerichtliche Verurteilung einen Schaden erlitten
hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit die Verurteilung
im Wiederaufnahmeverfahren oder sonst, nachdem sie rechtskräftig geworden
ist, in einem Strafverfahren fortfällt oder gemildert wird.
(2) 1Absatz 1 gilt entsprechend, wenn ohne Verurteilung eine Maßregel der Besserung und Sicherung oder eine Nebenfolge angeordnet worden ist.
§ 2 Entschädigung für andere Strafverfolgungsmaßnahmen
(1) 1Wer durch den Vollzug der Untersuchungshaft oder einer anderen
Strafverfolgungsmaßnahme einen Schaden erlitten hat, wird aus der
Staatskasse entschädigt, soweit er freigesprochen oder das Verfahren
gegen ihn eingestellt wird oder soweit das Gericht die Eröffnung des
Hauptverfahrens gegen ihn ablehnt.
(2) 1Andere Strafverfolgungsmaßnahmen sind
1. die einstweilige Unterbringung und die Unterbringung zur Beobachtung
nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Jugendgerichtsgesetzes,
2. die vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 der Strafprozeßordnung,
3. Maßnahmen des Richters, der den Vollzug des Haftbefehls aussetzt
(§ 116 der Strafprozeßordnung),
4. die Sicherstellung, die Beschlagnahme, der Arrest nach den §§
111d und 111o der Strafprozeßordnung sowie die Vermögensbeschlagnahme
nach § 111p der Strafprozeßordnung und die Durchsuchung, soweit
die Entschädigung nicht in anderen Gesetzen geregelt ist,
5. die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis,
6. das vorläufige Berufsverbot.
(3) 1Als Strafverfolgungsmaßnahmen im Sinne dieser Vorschrift gelten die Auslieferungshaft, die vorläufige Auslieferungshaft, die Sicherstellung, die Beschlagnahme und die Durchsuchung, die im Ausland auf Ersuchen einer deutschen Behörde angeordnet worden sind.
§ 3 Entschädigung bei Einstellung nach Ermessensvorschrift
Wird das Verfahren nach einer Vorschrift eingestellt, die dies nach
dem Ermessen des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft zuläßt,
so kann für die in § 2 genannten Strafverfolgungsmaßnahmen
eine Entschädigung gewährt werden, soweit dies nach den Umständen
des Falles der Billigkeit entspricht.
§ 4 Entschädigung nach Billigkeit
(1) 1Für die in § 2 genannten Strafverfolgungsmaßnahmen
kann eine Entschädigung gewährt werden, soweit dies nach den
Umständen des Falles der Billigkeit entspricht,
1. wenn das Gericht von Strafe abgesehen hat,
2. soweit die in der strafgerichtlichen Verurteilung angeordneten Rechtsfolgen
geringer sind als die darauf gerichteten Strafverfolgungsmaßnahmen.
(2) 1Der strafgerichtlichen Verurteilung im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 steht es gleich, wenn die Tat nach Einleitung des Strafverfahrens nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit geahndet wird.
§ 5 Ausschluß der Entschädigung
(1) 1Die Entschädigung ist ausgeschlossen
1. für die erlittene Untersuchungshaft, eine andere Freiheitsentziehung
und für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, soweit deren
Anrechnung auf die verhängte Strafe unterbleibt,
2. für eine Freiheitsentziehung, wenn eine freiheitsentziehende
Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet oder von einer solchen
Anordnung nur deshalb abgesehen worden ist, weil der Zweck der Maßregel
bereits durch die Freiheitsentziehung erreicht ist,
3. für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und das
vorläufige Berufsverbot, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis oder
das Berufsverbot endgültig angeordnet oder von einer solchen Anordnung
nur deshalb abgesehen worden ist, weil ihre Voraussetzungen nicht mehr
vorlagen,
4. für die Beschlagnahme und den Arrest (§§ 111b bis
111d der Strafprozeßordnung), wenn der Verfall oder die Einziehung
einer Sache angeordnet oder von einer solchen Anordnung nur deshalb abgesehen
worden ist, weil durch den Verfall die Erfüllung eines Anspruchs beseitigt
oder gemindert worden wäre, der dem Verletzten aus der Tat erwachsen
ist.
(2) 1Die Entschädigung ist auch ausgeschlossen, wenn und soweit der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. 2Die Entschädigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Beschuldigte sich darauf beschränkt hat, nicht zur Sache auszusagen, oder daß er unterlassen hat, ein Rechtsmittel einzulegen.
(3) 1Die Entschädigung ist ferner ausgeschlossen, wenn und soweit der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch schuldhaft verursacht hat, daß er einer ordnungsgemäßen Ladung vor den Richter nicht Folge geleistet oder einer Anweisung nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 3 der Strafprozeßordnung zuwidergehandelt hat.
§ 6 Versagung der Entschädigung
(1) 1Die Entschädigung kann ganz oder teilweise versagt werden,
wenn der Beschuldigte
1. die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch veranlaßt hat,
daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im
Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche
entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung
geäußert hat, oder
2. wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt oder das Verfahren
gegen ihn eingestellt worden ist, weil er im Zustand der Schuldunfähigkeit
gehandelt hat oder weil ein Verfahrenshindernis bestand.
(2) 1Die Entschädigung für eine Freiheitsentziehung kann ferner ganz oder teilweise versagt werden, wenn das Gericht die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften anwendet und hierbei eine erlittene Freiheitsentziehung berücksichtigt.
§ 7 Umfang des Entschädigungsanspruchs
(1) 1Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme
verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf
Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden
ist.
(2) 1Entschädigung für Vermögensschaden wird nur geleistet, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von fünfzig Deutsche Mark übersteigt.
(3) 1Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung zwanzig Deutsche Mark für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.
(4) 1Für einen Schaden, der auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre, wird keine Entschädigung geleistet.
§ 8 Entscheidung des Strafgerichts
(1) 1Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet
das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren
abschließt. 2Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich,
so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligten außerhalb
der Hauptverhandlung durch Beschluß.
(2) 1Die Entscheidung muß die Art und gegebenenfalls den Zeitraum der Strafverfolgungsmaßnahme bezeichnen, für die Entschädigung zugesprochen wird.
(3) 1Gegen die Entscheidung über die Entschädigungspflicht ist auch im Falle der Unanfechtbarkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig. 2§ 464 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Strafprozeßordnung ist entsprechend anzuwenden.
§ 9 Verfahren nach Einstellung durch die Staatsanwaltschaft
(1) 1Hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt, so entscheidet
das Amtsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft über die Entschädigungspflicht.
2An die Stelle des Amtsgerichts tritt das Gericht, das für die Eröffnung
des Hauptverfahrens zuständig gewesen wäre, wenn
1. die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt hat, nachdem sie
die öffentliche Klage zurückgenommen hat,
2. der Generalbundesanwalt oder die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht
das Verfahren in einer Strafsache eingestellt hat, für die das Oberlandesgericht
im ersten Rechtszug zuständig ist.
Die Entscheidung ergeht auf Antrag des Beschuldigten. 4Der Antrag ist
innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Mitteilung über
die Einstellung des Verfahrens zu stellen. 5In der Mitteilung ist der Beschuldigte
über sein Antragsrecht, die Frist und das zuständige Gericht
zu belehren. 6Die Vorschriften der §§ 44 bis 46 der Strafprozeßordnung
gelten entsprechend.
(2) 1Gegen die Entscheidung des Gerichts ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig.
(3) 1War die Erhebung der öffentlichen Klage von dem Verletzten beantragt, so ist über die Entschädigungspflicht nicht zu entscheiden, solange durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Erhebung der öffentlichen Klage herbeigeführt werden kann.
§ 10 Anmeldung des Anspruchs; Frist
(1) 1Ist die Entschädigungspflicht der Staatskasse rechtskräftig
festgestellt, so ist der Anspruch auf Entschädigung innerhalb von
sechs Monaten bei der Staatsanwaltschaft geltend zu machen, welche die
Ermittlungen im ersten Rechtszug zuletzt geführt hat. Der Anspruch
ist ausgeschlossen, wenn der Berechtigte es schuldhaft versäumt hat,
ihn innerhalb der Frist zu stellen. 3Die Staatsanwaltschaft hat den Berechtigten
über sein Antragsrecht und die Frist zu belehren. 4Die Frist beginnt
mit der Zustellung der Belehrung.
(2) 1Über den Antrag entscheidet die Landesjustizverwaltung. 2Eine Ausfertigung der Entscheidung ist dem Antragsteller nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung zuzustellen.
§ 11 Ersatzanspruch des kraft Gesetzes Unterhaltsberechtigten
(1) 1Außer demjenigen, zu dessen Gunsten die Entschädigungspflicht
der Staatskasse ausgesprochen worden ist, haben die Personen, denen er
kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war, Anspruch auf Entschädigung.
2Ihnen ist insoweit Ersatz zu leisten, als ihnen durch die Strafverfolgungsmaßnahme
der Unterhalt entzogen worden ist.
(2) 1Sind Unterhaltsberechtigte bekannt, so soll die Staatsanwaltschaft, bei welcher der Anspruch geltend zu machen ist, sie über ihr Antragsrecht und die Frist belehren. 2Im übrigen ist § 10 Abs. 1 anzuwenden.
§ 12 Ausschluß der Geltendmachung der Entschädigung
1Der Anspruch auf Entschädigung kann nicht mehr geltend gemacht
werden, wenn seit dem Ablauf des Tages, an dem die Entschädigungspflicht
rechtskräftig festgestellt ist, ein Jahr verstrichen ist, ohne daß
ein Antrag nach § 10 Abs. 1 gestellt worden ist.
§ 13 Rechtsweg; Beschränkung der Übertragbarkeit
(1) 1Gegen die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch
ist der Rechtsweg gegeben. 2Die Klage ist innerhalb von drei Monaten nach
Zustellung der Entscheidung zu erheben. 3Für die Ansprüche auf
Entschädigung sind die Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht
auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig.
(2) 1Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag ist der Anspruch nicht übertragbar.
§ 14 Nachträgliche Strafverfolgung
(1) 1Die Entscheidung über die Entschädigungspflicht tritt
außer Kraft, wenn zuungunsten des Freigesprochenen die Wiederaufnahme
des Verfahrens angeordnet oder wenn gegen den Berechtigten, gegen den das
Verfahren eingestellt worden war oder gegen den das Gericht die Eröffnung
des Hauptverfahrens abgelehnt hatte, nachträglich wegen derselben
Tat das Hauptverfahren eröffnet wird. 2Eine bereits geleistete Entschädigung
kann zurückgefordert werden.
(2) 1Ist zuungunsten des Freigesprochenen die Wiederaufnahme beantragt oder sind gegen denjenigen, gegen den das Verfahren eingestellt worden war oder gegen den das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hatte, die Untersuchung oder die Ermittlungen wiederaufgenommen worden, so kann die Entscheidung über den Anspruch sowie die Zahlung der Entschädigung ausgesetzt werden.
§ 15 Ersatzpflichtige Kasse
(1) 1Ersatzpflichtig ist das Land, bei dessen Gericht das Strafverfahren
im ersten Rechtszug anhängig war oder, wenn das Verfahren bei Gericht
noch nicht anhängig war, dessen Gericht nach § 9 Abs. 1 über
die Entschädigungspflicht entschieden hat.
(2) 1Bis zum Betrag der geleisteten Entschädigung gehen die Ansprüche auf die Staatskasse über, welche dem Entschädigten gegen Dritte zustehen, weil durch deren rechtswidrige Handlungen die Strafverfolgungsmaßnahme herbeigeführt worden war. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Berechtigten geltend gemacht werden.
§ 16 Übergangsvorschriften
Ist vor Inkrafttreten dieses Gesetzes das Verfahren eingestellt oder
der Beschuldigte außer Verfolgung gesetzt worden oder ist die Hauptverhandlung,
in welcher die der Entscheidung über die Entschädigungspflicht
zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft
werden konnten, vor diesem Zeitpunkt beendet worden, so sind die bisherigen
Vorschriften anzuwenden. 2Dies gilt nicht für die darin enthaltenen
Beschränkungen auf Höchstbeträge. 3Ist bei Inkrafttreten
dieses Gesetzes über die Höhe des Entschädigungsanspruchs
bereits gerichtlich oder außergerichtlich bestimmt worden, so hat
es dabei sein Bewenden. 4Dies gilt nicht für wiederkehrende Leistungen,
soweit sie nach Inkrafttreten dieses Gesetzes fällig werden.
§ 16a Entschädigung für die Folgen einer rechtskräftigen
Verurteilung, einer freiheitsentziehenden oder anderen vorläufigen
Strafverfolgungsmaßnahme in der Deutschen Demokratischen Republik
Die §§ 1 und 2 finden keine Anwendung auf die Folgen einer
strafgerichtlichen Verurteilung, einer Maßregel oder Nebenfolge oder
einer freiheitsentziehenden oder anderen vorläufigen Strafverfolgungsmaßnahme,
die vor dem Wirksamwerden des Beitritts in der Deutschen Demokratischen
Republik erfolgte oder angeordnet wurde. 2Die Voraussetzungen der Entschädigung
für diese Folgen richten sich nach den bis zu diesem Zeitpunkt in
der Deutschen Demokratischen Republik geltenden Vorschriften über
die Entschädigung für Untersuchungshaft und Strafen mit Freiheitsentzug
(§§ 369 ff. der Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen
Republik), soweit nicht eine Rehabilitierung nach dem Strafrechtlichen
Rehabilitierungsgesetz erfolgt oder ein Kassationsverfahren nach den vom
3. Oktober 1990 bis zum Inkrafttreten des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes
geltenden Vorschriften abgeschlossen ist. 3Für Art und Höhe der
Entschädigung gelten die Vorschriften des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes
entsprechend.
§ 17 Aufhebung bisherigen Rechts
(1) 1Es werden aufgehoben
1. das Gesetz betreffend die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren
freigesprochenen Personen vom 20. Mai 1898 (Reichsgesetzbl. S. 345), zuletzt
geändert durch das Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten
Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen vom 8. September 1969 (Bundesgesetzbl.
I S. 1582),
2. das Gesetz betreffend die Entschädigung für unschuldig
erlittene Untersuchungshaft vom 14. Juli 1904 (Reichsgesetzbl. S. 321),
zuletzt geändert durch das Gesetz zur allgemeinen Einführung
eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen vom 8. September
1969 (Bundesgesetzbl. I S. 1582).
(2) 1Soweit in anderen Vorschriften auf die in Absatz 1 bezeichneten Gesetze verwiesen wird, treten an deren Stelle die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes.
§§ 18 bis 19 (Änderungsvorschriften)
§ 20 (gegenstandslos)
§ 21 (Inkrafttreten)|