Vom 16.3.1976, BGBl I S. 581, 2088, 436 (1977)
BGBl III 312-9-1
Zuletzt geändert durch Viertes Gesetz zur Änderung
des Strafvollzugsgesetzes
(4. StrafVollzGÄndG) vom 26.8.1998, BGBl I S.
2461
Vierter Abschnitt
Vollzugsbehörden
Erster Titel
Arten und Einrichtung der Justizvollzugsanstalten
§ 139 Justizvollzugsanstalten
Die Freiheitsstrafe sowie die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
werden in Anstalten der Landesjustizverwaltungen (Justizvollzugsanstalten)
vollzogen.
§ 140 Trennung des Vollzugs
(1) 1Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird in getrennten
Anstalten oder in getrennten Abteilungen einer für den Vollzug der
Freiheitsstrafe bestimmten Vollzugsanstalt vollzogen.
(2) 1Frauen sind getrennt von Männern in besonderen Frauenanstalten unterzubringen. 2Aus besonderen Gründen können für Frauen getrennte Abteilungen in Anstalten für Männer vorgesehen werden.
(3) 1Von der getrennten Unterbringung nach den Absätzen 1 und 2 darf abgewichen werden, um dem Gefangenen die Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen in einer anderen Anstalt oder in einer anderen Abteilung zu ermöglichen.
§ 141 Differenzierung
(1) 1Für den Vollzug der Freiheitsstrafe sind Haftplätze
vorzusehen in verschiedenen Anstalten oder Abteilungen, in denen eine auf
die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gefangenen abgestimmte Behandlung
gewährleistet ist.
(2) 1Anstalten des geschlossenen Vollzugs sehen eine sichere Unterbringung vor, Anstalten des offenen Vollzugs keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen.
§ 142 Einrichtungen für Mütter mit Kindern
In Anstalten für Frauen sollen Einrichtungen vorgesehen werden,
in denen Mütter mit ihren Kindern untergebracht werden können.
§ 143Red. Anmerkung Größe und Gestaltung der
Anstalten
Vgl. auch § 201 Nr. 4, Übergangsbestimmung für bestehende
Anstalten
(1) 1Justizvollzugsanstalten sind so zu gestalten, daß eine auf
die Bedürfnisse des einzelnen abgestellte Behandlung gewährleistet
ist.
(2) 1Die Vollzugsanstalten sind so zu gliedern, daß die Gefangenen in überschaubaren Betreuungs- und Behandlungsgruppen zusammengefaßt werden können.
(3) 1Die für sozialtherapeutische Anstalten und für Justizvollzugsanstalten für Frauen vorgesehene Belegung soll zweihundert Plätze nicht übersteigen.
§ 144 Größe und Ausgestaltung der Räume
(1) 1Räume für den Aufenthalt während der Ruhe- und
Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume sind wohnlich oder
sonst ihrem Zweck entsprechend auszugestalten. 2Sie müssen hinreichend
Luftinhalt haben und für eine gesunde Lebensführung ausreichend
mit Heizung und Lüftung, Boden- und Fensterfläche ausgestattet
sein.
(2) 1Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Näheres über den Luftinhalt, die Lüftung, die Boden- und Fensterfläche sowie die Heizung und Einrichtung der Räume zu bestimmen.
§ 145 Festsetzung der Belegungsfähigkeit
Vgl. auch § 201 Nr. 5, Übergangsbestimmung für bestehende
Anstalten
Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit für
jede Anstalt so fest, daß eine angemessene Unterbringung während
der Ruhezeit (§ 18) gewährleistet ist. 2Dabei ist zu berücksichtigen,
daß eine ausreichende Anzahl von Plätzen für Arbeit, Ausbildung
und Weiterbildung sowie von Räumen für Seelsorge, Freizeit, Sport,
therapeutische Maßnahmen und Besuche zur Verfügung steht.
§ 146 Verbot der Überbelegung
(1) 1Hafträume dürfen nicht mit mehr Personen als zugelassen
belegt werden.
(2) 1Ausnahmen hiervon sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.
§ 147 Einrichtungen für die Entlassung
Um die Entlassung vorzubereiten, sollen den geschlossenen Anstalten
offene Einrichtungen angegliedert oder gesonderte offene Anstalten vorgesehen
werden.
§ 148 Arbeitsbeschaffung, Gelegenheit zur beruflichen
Bildung
(1) 1Die Vollzugsbehörde soll im Zusammenwirken mit den Vereinigungen
und Stellen des Arbeits- und Wirtschaftslebens dafür sorgen, daß
jeder arbeitsfähige Gefangene wirtschaftlich ergiebige Arbeit ausüben
kann, und dazu beitragen, daß er beruflich gefördert, beraten
und vermittelt wird.
(2) 1Die Vollzugsbehörde stellt durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicher, daß die Bundesanstalt für Arbeit die ihr obliegenden Aufgaben wie Berufsberatung, Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung durchführen kann.
§ 149 Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur beruflichen Bildung
(1) 1In den Anstalten sind die notwendigen Betriebe für die nach
§ 37 Abs. 2 zuzuweisenden Arbeiten sowie die erforderlichen Einrichtungen
zur beruflichen Bildung (§ 37 Abs. 3) und arbeitstherapeutischen Beschäftigung
(§ 37 Abs. 5) vorzusehen.
(2) 1Die in Absatz 1 genannten Betriebe und sonstigen Einrichtungen sind den Verhältnissen außerhalb der Anstalten anzugleichen. 2Die Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften sind zu beachten.
(3) 1Die berufliche Bildung und die arbeitstherapeutische Beschäftigung können auch in geeigneten Einrichtungen privater Unternehmen erfolgen.
(4) 1In den von privaten Unternehmen unterhaltenen Betrieben und sonstigen Einrichtungen kann die technische und fachliche Leitung Angehörigen dieser Unternehmen übertragen werden.
§ 150 Vollzugsgemeinschaften
Für Vollzugsanstalten nach den §§ 139 bis 149 können
die Länder Vollzugsgemeinschaften bilden.
Zweiter Titel
Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten
§ 151 Aufsichtsbehörden
(1) 1Die Landesjustizverwaltungen führen die Aufsicht über
die Justizvollzugsanstalten. 2Sie können Aufsichtsbefugnisse auf Justizvollzugsämter
übertragen.
(2) 1An der Aufsicht über das Arbeitswesen sowie über die Sozialarbeit, die Weiterbildung, die Gesundheitsfürsorge und die sonstige fachlich begründete Behandlung der Gefangenen sind eigene Fachkräfte zu beteiligen; soweit die Aufsichtsbehörde nicht über eigene Fachkräfte verfügt, ist fachliche Beratung sicherzustellen.
§ 152 Vollstreckungsplan
(1) 1Die Landesjustizverwaltung regelt die örtliche und sachliche
Zuständigkeit der Justizvollzugsanstalten in einem Vollstreckungsplan.
(2) 1Der Vollstreckungsplan sieht vor, welche Verurteilten in eine Einweisungsanstalt oder -abteilung eingewiesen werden. Über eine Verlegung zum weiteren Vollzug kann nach Gründen der Behandlung und Eingliederung entschieden werden.
(3) 1Im übrigen ist die Zuständigkeit nach allgemeinen Merkmalen zu bestimmen.
§ 153 Zuständigkeit für Verlegungen
Die Landesjustizverwaltung kann sich Entscheidungen über Verlegungen
vorbehalten oder sie einer zentralen Stelle übertragen.
Dritter Titel
Innerer Aufbau der Justizvollzugsanstalten
§ 154 Zusammenarbeit
(1) 1Alle im Vollzug Tätigen arbeiten zusammen und wirken daran
mit, die Aufgaben des Vollzugs zu erfüllen.
(2) 1Mit den Behörden und Stellen der Entlassenenfürsorge, der Bewährungshilfe, den Aufsichtsstellen für die Führungsaufsicht, den Arbeitsämtern, den Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, den Hilfeeinrichtungen anderer Behörden und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege ist eng zusammenzuarbeiten. 2Die Vollzugsbehörden sollen mit Personen und Vereinen, deren Einfluß die Eingliederung des Gefangenen fördern kann, zusammenarbeiten.
§ 155 Vollzugsbedienstete
(1) 1Die Aufgaben der Justizvollzugsanstalten werden von Vollzugsbeamten
wahrgenommen. 2Aus besonderen Gründen können sie auch anderen
Bediensteten der Justizvollzugsanstalten sowie nebenamtlichen oder vertraglich
verpflichteten Personen übertragen werden.
(2) 1Für jede Anstalt ist entsprechend ihrer Aufgabe die erforderliche Anzahl von Bediensteten der verschiedenen Berufsgruppen, namentlich des allgemeinen Vollzugsdienstes, des Verwaltungsdienstes und des Werkdienstes, sowie von Seelsorgern, Ärzten, Pädagogen, Psychologen und Sozialarbeitern vorzusehen.
§ 156 Anstaltsleitung
(1) 1Für jede Justizvollzugsanstalt ist ein Beamter des höheren
Dienstes zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen. 2Aus besonderen Gründen
kann eine Anstalt auch von einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet
werden.
(2) 1Der Anstaltsleiter vertritt die Anstalt nach außen. 2Er trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug, soweit nicht bestimmte Aufgabenbereiche der Verantwortung anderer Vollzugsbediensteter oder ihrer gemeinsamen Verantwortung übertragen sind.
(3) 1Die Befugnis, die Durchsuchung nach § 84 Abs. 2, die besonderen Sicherungsmaßnahmen nach § 88 und die Disziplinarmaßnahmen nach § 103 anzuordnen, darf nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde übertragen werden.
§ 157 Seelsorge
(1) 1Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft
im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.
(2) 1Wenn die geringe Zahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.
(3) 1Mit Zustimmung des Anstaltsleiters dürfen die Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen Seelsorger von außen zuziehen.
§ 158 Ärztliche Versorgung
(1) 1Die ärztliche Versorgung ist durch hauptamtliche Ärzte
sicherzustellen. 2Sie kann aus besonderen Gründen nebenamtlichen oder
vertraglich verpflichteten Ärzten übertragen werden.
(2) 1Die Pflege der Kranken soll von Personen ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz besitzen. Solange Personen im Sinne von Satz 1 nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.
§ 159 Konferenzen
Zur Aufstellung und Überprüfung des Vollzugsplanes und zur
Vorbereitung wichtiger Entscheidungen im Vollzug führt der Anstaltsleiter
Konferenzen mit an der Behandlung maßgeblich Beteiligten durch.
§ 160 Gefangenenmitverantwortung
Den Gefangenen und Untergebrachten soll ermöglicht werden, an
der Verantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse teilzunehmen,
die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für ihre
Mitwirkung eignen.
§ 161 Hausordnung
(1) 1Der Anstaltsleiter erläßt eine Hausordnung. 2Sie bedarf
der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.
(2) 1In die Hausordnung sind namentlich die Anordnungen aufzunehmen
über
1. die Besuchszeiten, Häufigkeit und Dauer der Besuche,
2. die Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie
3. die Gelegenheit, Anträge und Beschwerden anzubringen, oder
sich an einen Vertreter der Aufsichtsbehörde zu wenden.
(3) 1Ein Abdruck der Hausordnung ist in jedem Haftraum auszulegen.
Vierter Titel
Anstaltsbeiräte
§ 162 Bildung der Beiräte
(1) 1Bei den Justizvollzugsanstalten sind Beiräte zu bilden.
(2) 1Vollzugsbedienstete dürfen nicht Mitglieder der Beiräte sein.
(3) 1Das Nähere regeln die Länder.
§ 163 Aufgabe der Beiräte
Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Vollzugs und
bei der Betreuung der Gefangenen mit. 2Sie unterstützen den Anstaltsleiter
durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge und helfen bei der Eingliederung
der Gefangenen nach der Entlassung.
§ 164 Befugnisse
(1) 1Die Mitglieder des Beirats können namentlich Wünsche,
Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. 2Sie können sich über
die Unterbringung, Beschäftigung, berufliche Bildung, Verpflegung,
ärztliche Versorgung und Behandlung unterrichten sowie die Anstalt
und ihre Einrichtungen besichtigen.
(2) 1Die Mitglieder des Beirats können die Gefangenen und Untergebrachten in ihren Räumen aufsuchen. 2Aussprache und Schriftwechsel werden nicht überwacht.
§ 165 Pflicht zur Verschwiegenheit
Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres
Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich
sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Gefangenen
und Untergebrachten, Verschwiegenheit zu bewahren. 2Dies gilt auch nach
Beendigung ihres Amtes.
Fünfter Titel
Kriminologische Forschung im Strafvollzug
§ 166
(1) 1Dem kriminologischen Dienst obliegt es, in Zusammenarbeit mit
den Einrichtungen der Forschung den Vollzug, namentlich
die Behandlungsmethoden, wissenschaftlich fortzuentwickeln und seine
Ergebnisse für Zwecke der Strafrechtspflege nutzbar zu
machen.
(2) 1Die Vorschriften des § 186 gelten entsprechend.